Schatten Blut
gebunden, die Schrift außen bereits verwittert. Andere wiederum hatten sich erstaunlich gut gehalten. Die meisten Buchtitel waren mir unbekannt und sehr viele davon konnte ich gar nicht entziffern, waren sie in einer Sprache verfasst, die mir vollkommen unbekannt war. Die Regale gingen bis unter die Decke und weit oben entdeckte ich einige Schriftrollen, sorgsam übereinander geschichtet. Ich überlegte kurz, ob ich die Rollleiter benutzen und nachschauen sollte, was diese Rollen enthielten, entschied mich aber dagegen. Darian hatte sicher seine Gründe, warum er sie dort oben deponierte.
So zog ich ein sehr altes, in schwarzes Leder gebundenes Buch heraus, dessen Buchdecke ein Kreuz und ein lateinischer Titel zierten, von dem ich nur Diabolus entziffern konnte. Als ich es aufschlug, schillerten mir die brutalsten und blutrünstigsten Bilder von Vampiren und auch Werwölfen entgegen, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Dieser katholische Priester, dessen Namen ich nicht entziffern konnte, hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, Angst und Schrecken zu verbreiten.
Während ich es überflog, tauchte immer wieder der Begriff Diablerie auf und es dauerte eine Weile, bis ich in einem anderen Buch eine Erklärung dazu gefunden hatte. Die Diablerie ist weitläufig betrachtet eine Form von Kannibalismus unter den Vampiren selbst. Sie sind geschockt? Dann geht es Ihnen wie mir, ich konnte es am Anfang auch nicht ganz fassen.
Diablerieren funktioniert ähnlich wie der so genannte Kuss – wir sagen dazu eher Biss – der einen Menschen in einen Vampir verwandelt. Vampire vernichten sich gegenseitig auf ähnliche Weise. Sie saugen einen anderen bis auf den letzten Tropfen aus. Ist er leer und nur noch die Hülle vorhanden, wird der Rest der Seele aus der Hülle gesogen, was gleichzeitig dessen komplette Vernichtung darstellt. Die Überreste zerfallen zu Staub. Der Sinn dahinter ist, die kompletten Fähigkeiten des Opfers in sich zu integrieren und zu eigen zu machen. Übernommen werden auf diese Weise allerdings auch die Schwächen des anderen. Ob das nun gut oder schlecht ist, steht wieder auf einem anderen Blatt.
Jedenfalls machten mich diese Erklärungen recht nachdenklich. Wenn ein Vampir also andere seiner Art diablerierte, besaß er dann nicht zwangsläufig eine multiple Persönlichkeit? Schizophrenie? Darian erweckte allerdings nicht den Anschein, nicht ganz beieinander zu sein. Ich legte das Buch weg und nahm mir vor, ihn bei Gelegenheit danach zu fragen.
Was mich nun magisch anzog, war ein sehr alter, mit Intarsien verzierter Sekretär aus Wurzelholz. Halb versteckt stand er in einer Nische zwischen den zugezogenen Vorhängen der beiden hohen Fenster. Der obere Aufsatz war eine Glasvitrine, in der sich ebenfalls einige Bücher und lose, beschriebene Blätter befanden. Ich nahm eines dieser Blätter heraus und staunte nicht schlecht, als es sich als altes Pergament entpuppte. Die Schrift darauf wirkte ebenfalls sehr alt, war fein und elegant geschwungen, wie mit einer Feder geschrieben. Mühsam konnte ich einige Worte entziffern und war überrascht, als ich es als Deutsch erkannte. Darian konnte Deutsch?
Na ja, warum auch nicht, dachte ich und nahm die anderen Blätter heraus. Auch sie enthielten deutschen Schriftverkehr. Immerhin hatte Darian Jahrhunderte Zeit gehabt, diverse Sprachen zu lernen. Und wer wusste schon so genau, wo er sich in seinem bisherigen Leben überall aufgehalten hatte?
Ich hatte an der Universität in München vor gut acht Jahren ein Sommersemester als Austauschstudentin verbracht und daher diese Sprache etwas gelernt. Allerdings war ich inzwischen ziemlich eingerostet und es kostete mich etliche Mühe, das Geschriebene zu verstehen. Interessant war, dass sehr häufig Städtenamen genannt wurden. Frankfurt, Wien, Lissabon, also recht alte Städte. Es wurden weitere Namen erwähnt, zu denen ich keinen Bezug hatte, betrafen sie weder Orte noch Landstriche oder gar Gebäude. Ich vermutete, dass es sich entweder um Menschen oder andere Vampire handeln musste. Was mich jedoch aufmerken ließ, war die Erwähnung eines Namens. B. Sinclair. Großmutters Name lautete Brianna Sinclair McNamara. Sie hatte nach der Heirat ihren Mädchenamen behalten und den meines Großvaters nur angehängt. Zufall?
Mit einem eigenhändig aufgebrühten Kaffee hatte ich es mir im Schneidersitz mitten auf dem Teppich in der Bibliothek bequem gemacht. Rund um mich herum lagen die losen Blätter nach Datum sortiert,
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