Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten Blut

Schatten Blut

Titel: Schatten Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abrantes
Vom Netzwerk:
knapp über der Stoßstange einen Lackkratzer gesehen hatte? Ein Blick auf seine Miene und ich entschied mich dagegen. Nein, ich wollte den Abend genießen.
    »Woher wusstest du eigentlich, welche Größe ich habe?« fragte ich, als er den Motor startete.
    »Was meinst du.«
    »Victoria’s Secret.«
    »Oh, das.« Er grinste breit und hob die Hände. »Tastsinn, Schatz!« Dann legte er sie zurück ans Lenkrad und gab Gas.
    U nschöne Gegend. Fast so, wie man sie sich in einem Klischee behafteten, schlechten Film vorstellt. Straßen voller Löcher, umgestürzte Mülleimer, halbverfallene und leer stehende Häuser, schmale Gassen. All das umnebelt vom Geruch des Verfalls und der Verwesung. Straßenlampen funktionierten nur noch teilweise flackernd oder gar nicht mehr. Und jeden Augenblick erwartete ich, die Silhouette des Mr. Hyde auf den Dächern der alten Arbeitersiedlung zu sehen. Die Scheinwerfer des Wagens hüpften auf dem unebenen Boden auf und ab. Es wirkte irgendwie unwirklich und gespenstisch.
    »Du hast recht merkwürdige Treffpunkte, Darian«, sprach ich gegen Joe Cockers Unchain my heart an.
    »Angst?« Er blickte weiterhin konzentriert nach vorne.
    »Nein«, log ich. Diesmal erhaschte mich ein Seitenblick. »Keine Bange, Faye. Ich bin ja da.«
    Ungemein beruhigend, echt! Ich zog die Nase kraus. Er lachte.
    »Das beste Mittel gegen Angst ist, sich ihr zu stellen. Hoppla! Verfluchte Schlaglöcher! Hoffentlich reißt es mir die Ölwanne nicht auf.« Er kurbelte am Lenkrad und fing den schliddernden Wagen geschickt ab.
    Ich krallte mich am Sitz fest. »Vielleicht solltest du langsamer fahren.«
    »Ich schleiche bereits.«
    Ein Blick auf den Tacho. Ah ja, 30 Meilen auf dieser Buckelpiste war demnach Schleichen.
    »Da vorne ist es schon«, hörte ich ihn regelrecht aufatmen. Noch ein Schlenker, einer umgekippten Tonne ausgewichen, dann brachte er den Austin zum Stehen.
    »Bleib am besten sitzen, Faye. Ich bin gleich wieder da.«
    »Ist das dein Wunsch oder ein Befehl?«
    »Beides. Bitte halte dich daran.«
    Ich nickte schnell. Hatte ich doch ohnehin keinerlei Wunsch danach verspürt, meine neuen Schuhe in dieser ungastlichen Gegend zu ruinieren.
    Darian stieg aus, schloss die Tür und trat in die Lichtkegel der Scheinwerfer. Dort blieb er regungslos stehen und doch wusste ich, dass er sich sehr genau umsah. Fast greifbar waren seine Sinne auf die Umgebung ausgerichtet, durchsuchen jeden Winkel der Gebäude um uns herum. Da sah ich Schatten an den Häuserwänden entlang huschen. Sie verschwanden und tauchten an der anderen Seite des Hauses wieder auf.
    Plötzlich vernahm ich ein Geräusch neben dem Wagen und schaute hinüber. Verschreckt hielt ich die Luft an, als mein Blick auf ein Gesicht fiel, das hässlicher nicht hätte sein können. Schmale, verschlagene Augen starrten mich aus einer grauen, faltigen Fratze an. Vereinzelte, dünne Härchen ringelten sich von der halben Glatze hinab über abstehende Ohren. Der Mund, ein spitzes, faltiges und sabberndes Lippengebilde. Seine Finger, deformiert und dünn, lagen auf der Seitenscheibe. Spontan fiel mir Gollum aus Herr der Ringe ein.
    »Flossen vom Wagen!« fauchte ich das Ding an, nachdem ich mich vom ersten Schreck erholt hatte. Erstaunt riss es die Augen auf, dann verschwand es blitzschnell aus meinem Sichtfeld.
    Kurz darauf sah ich es auf Darian zu humpeln. Wie sein Gesicht, so war auch sein ganzer Körper grotesk verformt und steckte unter halb zerrissener, schmutziger Kleidung. Die Beine krumm und dünn, die Arme viel zu lang, sie schienen beinahe auf dem Boden zu schleifen. Der Rücken gerundet, die linke Schulter höher als die rechte. Dennoch bewegte es sich mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit.
    Einen guten Meter vor Darian blieb es stehen und wies auf den Wagen. Darian sah zu mir und wieder zurück zu dem Wesen. Er nickte knapp und diesmal schaute das Wesen zu mir herüber.
    Du kannst mich also sehen. Interessant, vernahm ich eine kratzende Stimme in meinem Kopf.
    Quod erat demonstrandum! konterte ich.
    Ein Nicken des Wesens in meine Richtung folgte, dann wandte es seine ganze Aufmerksamkeit Darian zu. Ab da verstand ich nichts mehr, auch wenn ich mich zu lauschen bemühte. Es war, als hätte jemand eine Wand hochgezogen, die alles Weitere verbarg. Lediglich das Sehen war mir vergönnt.
    Ich hatte über die Nosferatu gelesen. Ihre Hässlichkeit entspringe ihrem inneren Wesen, so hieß es. Nie hätte ich gedacht, eines dieser verborgen lebenden Wesen

Weitere Kostenlose Bücher