Schatten der Angst (German Edition)
und blätterte durch die ersten Seiten, doch die Worte verschwammen ihm vor den Augen, ohne Sinn zu ergeben. Er konnte sich nicht konzentrieren, solange die Gedanken an Amanda noch durch seinen Kopf wirbelten.
Sie war eine Zeugin in einer Mordermittlung. Logan wusste, er durfte nicht einmal daran denken, sie auf einer persönlicheren Ebene kennenzulernen. Wenn er sich schon jetzt nicht mehr richtig auf den Fall konzentrieren konnte, wie würde es erst werden, wenn er zuließ, dass diese Verliebtheit tieferen Gefühlen Platz machte? Was, wenn ihm etwas Wichtiges entging und eine weitere Frau starb? Bei seinem Anfängerfehler konnte er sich wenigstens sagen, dass der Killer möglicherweise nicht noch einmal gemordet hatte. Vielleicht hatte der Täter sein Opfer gekannt, und es hatte sich um ein Verbrechen aus Leidenschaft gehandelt, eine einmalige Sache.
Doch der Mörder von Carolyn O’Donnell war anders. Er hatte bereits getötet, und er würde es wieder tun. Höchstwahrscheinlich hatte er sich sein nächstes Opfer bereits ausgesucht. Logan musste alle seine Kräfte daran setzen, den Mörder aufzuhalten, wenn er nicht die Schuld am Tod einer weiteren Frau auf sein Gewissen laden wollte. Momentan gab es in seinem Leben keinen Platz für eine Beziehung, schon gar nicht mit Amanda.
Und selbst wenn er sich keine Sorgen wegen des Falles zu machen bräuchte: Amanda war brutal misshandelt worden, sowohl körperlich als auch emotional. Sie war ebenso wenig bereit für eine Beziehung wie er, das hatte ihr Gespräch bewiesen. Im Moment war es das Beste, wenn er ihre Wünsche respektierte, sie seiner beruflichen Position entsprechend behandelte und den Mörder fand, der sie vor vier Jahren beinahe vernichtet hätte.
Er blätterte durch die Akte des letzten Falls, Seiten, die er an diesem Tag bereits ein Dutzend Mal gelesen hatte, ohne etwas Neues zu finden. Am liebsten hätte er den Aktenordner des Anna-Northwood-Falls gehabt, um ihn noch einmal durchzusehen. Sich mit dem Fall zu beschäftigen, den er vor zehn Jahren vermasselt hatte, würde ihm die Verschnaufpause verschaffen, die sein Unterbewusstsein brauchte, um sich durch die Details von Amandas Fall zu arbeiten und nach einem Muster Ausschau zu halten.
Als er früher am Tag die Internetdatenbanken des Departments nach jener Akte durchsucht hatte, hatte er leider nur den Vermerk »Verwahrt im Archiv, außer Haus« gefunden. Die Akte war zu alt, sie war nie in eine Internetdatenbank aufgenommen worden. Er würde dem Archiv demnächst einen Besuch abstatten müssen, um die Akte zu finden, doch an diesem Abend hatte er nur die Aufgabe: den Branson-Fall ein weiteres Mal nach Hinweisen durchzugehen.
Er seufzte und blätterte weiter.
Kate war zurückgekehrt.
Er konnte es kaum glauben, wusste aber dennoch, dass es die Wahrheit war.
Sie war noch nie zuvor so schnell zurückgekehrt. Verdammt. Warum konnte sie ihn nicht in Ruhe lassen? Er hatte endlich Frieden gefunden, wohltuenden Frieden, und dieses Mal hatte er gehofft, dass er andauern würde.
Beim letzten Mal hatte sie sich Carolyn genannt und war so perfekt gewesen, so süß, dass er geglaubt hatte, dass sie vielleicht dieses Mal – nur vielleicht – für immer verschwinden würde, so wie sie es versprochen hatte. Törichterweise hatte er geglaubt, dass sie ihn endlich sein Leben leben lassen würde, ohne Angst, ohne die Sorge, dass sie ihn wiederfinden würde.
Er hätte wissen müssen, dass er ihr nicht vertrauen konnte. Kate hatte immer gelogen.
Und dieses Mal trug sie denselben Namen, den sie schon einmal verwendet hatte: Amanda.
5
Schuldgefühle waren ein starker Antrieb. Zwei Tage lang kämpfte Amanda dagegen an, doch es war ein aussichtsloser Kampf. Am Mittwoch Nachmittag saß sie in ihrem parkenden Wagen vor dem Gebäude, das sich Rathausverwaltung und Polizei teilten, und versuchte, den Mut aufzubringen, die Eingangstür zu öffnen und hineinzugehen.
Sie wollte weder in ihrer Vergangenheit herumwühlen noch weitere polizeiliche Vernehmungen über sich ergehen lassen müssen. Mit der Hässlichkeit dessen, was ihr zugestoßen war, wurde sie jeden Tag konfrontiert, wenn sie in den Spiegel sah. Der Mörder hatte sie auf viele verschiedene Arten gebrandmarkt und damit sichergestellt, dass sie niemals vergessen konnte, was geschehen war, ihm niemals wirklich entkommen konnte. Und sie hatte der Polizei bereits alles gesagt – oder zumindest alles, was für die Ermittlungen von Bedeutung war.
Und wenn Logan
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