Schatten der Angst (German Edition)
sie nicht vergewaltigt worden war – zumindest nicht im üblichen Wortsinn –, wahrscheinlich, weil der Mörder sich an seinen Opfern lieber im Moment des Todes verging und Amanda geflohen war. Doch was ihr widerfahren war, war fast genauso brutal. »Was ist mit den gerichtsmedizinischen Befunden im Branson-Mord?«, fragte er an Pierce gewandt. »Haben Ihre Männer etwas entdeckt, was das staatliche Labor übersehen hat?«
Pierce schüttelte den Kopf. »Es gab keine Spuren vom Täter, nur von den Opfern. Und das Blut, das am Tatort gefunden wurde, konnte entweder Dana zugeordnet werden«, er warf Logan einen Blick zu, »oder Amanda.«
Logan zuckte zusammen, hatte seine Gesichtszüge jedoch schnell wieder unter Kontrolle. Jede Erwähnung dessen, was Amanda hatte erleiden müssen, fühlte sich für ihn an, als schnitte man ihm mit einem Messer ins Fleisch. Nach Pierces Gesichtsausdruck und ihrer vorherigen Auseinandersetzung in der Hütte zu urteilen, schien er seine Gefühle für Amanda nicht besonders gut verstecken zu können.
Eine Bewegung, die er aus dem Augenwinkel wahrnahm, veranlasste ihn, zum vorderen Ende des Parks zu blicken. Mehrere Männer liefen dort auf und ab, formierten sich zu einer kleinen Gruppe und unterhielten sich, wobei sie Logan und seine Kollegen im Auge behielten. »Sieht so aus, als hätten wir die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft erregt. Wir sollten ihnen besser sagen, wer wir sind, bevor sie das Revier mit Anrufen über verdächtige Personen am Tatort bombardieren.«
»Was haben die Opfer gemeinsam, die er in den letzten vier Jahren getötet hat?«, fragte Logan die beiden anderen Männer, während sie über den mit Kiefernnadeln bedeckten Weg marschierten. »Der Großteil wurde in verschiedenen Staaten gefunden, also können sie nicht dieselben Geschäfte aufgesucht haben. Haben sie an demselben Ort Urlaub gemacht?«
»Ich habe nichts gefunden«, erwiderte Pierce. »Das einzige Merkmal, das die Opfer miteinander verbindet, ist ihr physisches Erscheinungsbild. Sie waren alle zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahre alt, hatten langes braunes Haar und blaue Augen. Er tötet weder Prostituierte noch Obdachlose, also Personen, die nicht vermisst werden würden. Er interessiert sich nur für weiße Frauen aus der Mittelschicht.«
»Fahren Sie fort«, sagte Logan. Er kannte das Täterprofil, er hatte es Dutzende Male gelesen, aber es laut ausgesprochen zu hören brachte ihn vielleicht auf eine neue Idee, ermöglichte einen neuen Blickwinkel, an den er vorher nicht gedacht hatte.
Pierce seufzte und fuhr fort. »Er ist höchstwahrscheinlich ein einfacher Arbeiter, und falls er einen Bürojob hat, arbeitet er in einer Niedriglohn-Branche. Entweder hat er eine Arbeit, die es ihm ermöglicht, viel zu reisen, oder er kündigt und findet ohne große Mühe einen ähnlichen Job in der nächsten Stadt, in der er sich niederlässt.«
»So wie ein Kellner?«, fragte Logan.
»Oder ein Lkw-Fahrer?«, fragte Riley, dessen Stimme einen aufgeregten Unterton angenommen hatte.
Sie blieben stehen und ignorierten die feindseligen Blicke der anwachsenden Menge von Anwohnern, die jetzt etwa zehn Meter von ihnen entfernt standen.
»Genau, wie ein Lkw-Fahrer«, stimmte Pierce zu. »Denken Sie an jemand Bestimmtes?«
Rileys Blick wanderte zwischen Pierce und Logan hin und her. »Frank Branson arbeitet als Lkw-Fahrer.«
Da es ihnen bisher nicht gelungen war, Frank Branson ausfindig zu machen, hatte Logan beschlossen, sich zunächst einer anderen Suche zu widmen. Er befand sich in einem Lagerraum im ersten Stock des Anbaus der Rathausverwaltung und schritt eine Reihe rostiger Aktenschränke entlang. Er hatte zufällig gehört, wie ein paar Verwaltungsassistenten über das Feuer im Lagerhaus gesprochen hatten und bekannten, froh zu sein, dass ihre Abrechnungsunterlagen ein Stockwerk tiefer eingelagert würden. Logan wollte nachsehen, ob nicht ein paar Fallakten des Police Departments ebenfalls hier unten aufbewahrt wurden. Das war zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber er musste unbedingt einen letzten Versuch unternehmen, die Northwood-Akte in die Finger zu bekommen.
Er wusste, dass es für ihn zu einer Obsession geworden war, diesen Fall zu lösen. Und er wusste auch, dass er manche Fälle besser lösen konnte, wenn er seinem Unterbewusstsein die Gelegenheit gab, ungestört zu arbeiten. Manchmal war es sinnvoll, sich mit einem anderen Fall zu befassen, um sich von den aktuellen Ermittlungen
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