Schatten Der Erinnerung
Wahrheit aber war, dass er den Hass nicht in seiner Gewalt hatte. Trotz aller Bemühungen, ihn heranzuholen, entglitt er ihm.
Verstörter als je zuvor, dachte er nicht länger über sein Unvermögen nach. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er in einem Wutanfall die Scheidung abgelehnt hatte. Dass er es nicht leiden konnte, bedroht tyrannisiert und bestochen zu werden - von niemandem, ganz besonders nicht von ihr.
Er redete sich auch ein, dass er nur noch rein körperliche Gefühle für sie empfinde. Das sei die ganze, nicht zu bestreitende Wahrheit.
Er musste nicht sehr intensiv und lange nachdenken, sich an jede Einzelheit ihrer Hochzeitsnacht zu erinnern.
Sofort wurde er erregt. Sein schier unerträgliches Verlangen nach ihr war nicht geringer geworden. Da die Schuldgefühle jetzt wegfielen, war es sogar heftiger, mächtiger und unverhohlener als vorher. Er holte tief Luft.
Das war sicherlich das schlechteste Motiv, verheiratet zu bleiben. Aber er wäre nicht der erste Mann, der unbekümmert dem Diktat seines Geschlechts folgte.
Nur mit großer Anstrengung löste er seine Gedanken vom Sex. Sie hatte angedeutet dass sie, gegen ihn kämpfen würde, um die Scheidung zu bekommen. Er wäre ein Narr, gegen ihren Vater und den Rest ihrer allmächtigen Familie anzutreten. Andererseits war er einem Kampf noch nie ausgewichen. Wie alle Delanzas kämpfte er, wenn er herausgefordert wurde - und er kämpfte, bis er am Ziel war. Doch die Vorstellung, mit ihrer Familie zu streiten, quälte ihn, und das nicht aus Furcht vor den Folgen.
Viel zu erregt und aufgewühlt, um jetzt zu einem Entschluss wegen der Scheidung zu kommen, ging er in seinem Büro auf und ab, um seinen Zorn und seine Spannung ein wenig abzureagieren. Er dachte an sein Zuhause.
Miramar brauchte sie, oder genauer gesagt, ihr Geld. Nach ihrer Täuschung empfände er nun keine Skrupel mehr, sie auszunutzen. Doch wenn sie anfingen, einander zu bekämpfen, wäre es mit Sicherheit nicht leicht, an ihr Erbe zu kommen. Er war lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass ihr Name allein ausreichte, um die Bank hinzuhalten, bis er zu einem Arrangement mit seiner Frau gekommen wäre. Aber es bestand auch die Möglichkeit dass ihre Familie ihn bis in alle Ewigkeit bekämpfen würde, und dann konnte auch ihr Name für Miramar nicht genügend Zeit gewinnen.
Ein kurzes, vertrautes Klopfen an seiner Tür brachte eine willkommene Ablenkung. Slade drehte sich zur Begrüßung seines Chefs, Mentors und Freundes um. Charles blieb kurz stehen, bevor er ohne Erlaubnis eintrat. Das Klopfen war nur ein Ritual, denn Charles wusste, dass es keinen Grund gab anzuklopfen.
»Es ist schon spät«, sagte er zur Begrüßung. Seine stahlgrauen Augen hatten einen fragenden Ausdruck.
Slade zuckte die Schultern. Er wusste, dass dies weder ein gesellschaftlicher noch ein geschäftlicher Besuch war.
»Ich stecke bis zum Hals in Arbeit.«
»Das sehe ich.« Charles lächelte. »Ich habe niemals begriffen, wie du auf deinem Schreibtisch überhaupt etwas finden kannst.«
Nachdem Slade den Tisch umgeworfen und später alles wahllos wieder darauf gestellt hatte, war es schlimmer als sonst. »Zumindest führe ich Bücher.«
»Ah, dafür habe ich alles hier.« Charles tippte an seinen dunklen Bowler. »Abgesehen davon, deine Art von Chaos hat etwas Geniales an sich.«
Slade wurde rot vor Freude. »Übertreib mal nicht.«
»Du weißt genau, dass ich nicht übertreibe, solange nicht um ein Geschäft geht. Und du bist genial. Was würde ich nur ohne dich tun?«
»Ich habe nicht die Absicht woanders hinzugehen Charles.«
»Gut. Ich dachte, nach deiner Heirat würdest du vieleicht nach Miramar zurückkehren.«
Slade lächelte resigniert und bedeutete ihm, sich auf d Stuhl vor seinem Schreibtisch hinzusetzen. »So, nun kommen wir zur Sache.«
Charles setzte sich nicht, sondern klopfte Slade leicht a die Schulter. »Gehen wir auf einen Drink ins Palace.«
»Was? Nicht ins Mann Grande?« neckte Slade.
»Ich möchte mich entspannen. Und vor allem du solltest dich ausruhen. Außerdem ist das Palace näher.«
Slade hätte leicht ablehnen können. Seit Reginas Besuch war er nicht sehr produktiv gewesen. Eigentlich wollte er noch lange arbeiten, um fertig zu machen, was unerledigt geblieben war. Mit einem Blick sah er aber, dass Charles unbedingt reden wollte, und stimmte deshalb zu.
Das Grand Court Palace Hotel war ein siebenstöckiger Atriumbau mit einer Glaskuppel darüber. Von den Balkonen
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