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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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herbeigeeilt.
    »Ah da ist ja die verschwundene
Schönheit. Sorry, dass wir ihre Privatnummer missbraucht haben, aber wir dachten,
auf diese Neuigkeit wollen Sie bestimmt nicht verzichten.«
    »Du hast das gedacht«, erwiderte
Larry entschuldigend und hob zaghaft die Schultern, als würde ihm das Verhalten
seines Partners ebenso peinlich sein wie mir.
    Ich ging zum Tresen. Meine Beine
fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Dabei war ich mir nicht sicher, ob es
auf die bisherigen Geschehnisse des Tages zurückzuführen war oder doch vielmehr
die Erwartung, dass ich nun endlich Gewissheit erlangen würde.
    »Also«, setzte Larry etwas sehr
theatralisch an und nahm seine Brille ab. »Das war wirklich eine sehr harte
Nuss. Da hat jemand eindeutig versucht, seine gesamten Spuren zu verwischen.
Wir haben einige Bekannte befragt, aber keiner schien mit dieser Art von Datenvernichtung
vertraut zu sein.«
    »Aber wir haben es geschafft«, wand
der Dickwanst ein und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Sein Stolz war
nahezu greifbar.
    »Nun mach mal halblang Harry, wenn
Igor uns nicht geholfen hätte, stünden wir immer noch mit leeren Händen da.«
    Fragend blickte ich zwischen den
beiden hin und her. Was wollten sie mir damit sagen? Ich sah wie ein Stück des
Stolzes aus Harrys Gesicht bröckelte und den Blick frei gab auf einen Hauch von
Schuldbewusstsein.
    »Igor war einmal beim russischen KGB«,
erläuterte Larry weiter. Es schien ihm förmlich unter den Nägel zu brennen, mir
alle Einzelheiten zu erzählen, auch wenn mich das nicht im Geringsten
interessierte. »Er hat uns auf die eigentliche Idee gebracht. Er hatte so etwas
ähnliches schon einmal bei der ETA, einer baskischen Separatistengruppe,
erlebt. Die Dateien waren nicht zerstört. Sie konnten sich nur vielmehr nicht
mehr daran erinnern, wie sie richtig zusammengesetzt wurden. Ganz so, als ob
ihr Bauplan fehlte. Aber wir haben ihrem Gedächtnis wieder auf die Sprünge
geholfen.«
    Fast ehrfürchtig reichte er mir meine
Festplatte. Warum drehte sich immer nur alles um das Vergessen? Und warum
konnte ich es nicht?
    »Wie viel bekommen Sie?«, fragte ich
und zückte mein Portemonnaie.
    »Aber nicht doch Lady«, wand Harry
sofort ein. »Sie haben uns den größten Nervenkitzel seit Jahren beschert.«
    Das schien Larry augenscheinlich
anders zu sehen, aber ich würde nicht darum bitten zu bezahlen. Ich bedankte
mich bei beiden und verließ das Geschäft, die Festplatte fest mit meinen
Fingern umklammert – zu nah war ich endlich der Antwort, der Gewissheit.
    * * *
    Die Festplatte surrte leise vor sich
hin, als die Inhalte identifiziert wurden. Was sich nun auf meinem Bildschirm
zeigte, ließ meine anfängliche Euphorie etwas verebben.
    Es gab keine Ordner mehr, keine
Struktur, keine Sortierung. Was sich mir offenbarte, waren durchnummerierte
Dateien, alles in einer Reihe und nicht erkennbar, was sich dahinter verbarg.
    Seufzend nippte ich an meinem Kaffee,
das würde sehr viel Arbeit bedeuten. Ich versuchte zunächst alles nach Typen zu
sortieren – Schriftdokumente, Präsentationen, Bilder. Das verschaffte mir
zumindest den ersten Überblick. Aber es waren immer noch über zweihundert
Bilder und ich traute mich kaum, sie mir anzusehen. Kaffee würde hier nicht
mehr reichen. Ich ging in die Küche und holte mir eine Flasche Wein. Mit leicht
vernebelten Sinnen konnte ich es vielleicht besser ertragen.
    Bild eins – das Meer. Die Wellen, die
sich an den Steinen brachen.
    Bild zwei – ein Foto von mir, wie ich
gerade ein Mikro in der Hand hielt.
    Bild drei – ein Gruppenfoto von
Jessica, Alexander, Natascha und mir.
    Bild vier – da war er und war es doch
nicht.
    Ich leerte das Glas in einem Zug und
goss nach. Auf dem Bild vor mir stand Robert an einem Brückengeländer gelehnt
und blickte in die Kamera. Doch ich erkannte ihn kaum. Die Hälfte seines
Gesichtes war verzerrt, verschwommen, als wäre ein Regentropfen auf der Linse
gewesen.
    Bild fünf – wir beide beim Tanzen.
    Und auch hier, das gleiche Ergebnis.
Während mein Gesicht scharf und ausgeleuchtet war, war sein Kopf von einem
Schleier verdeckt und nur ein Ohr lugt erkennbar hervor.
    So ging es immer weiter. Bild um
Bild, Foto um Foto, jedes Mal, wenn Robert darauf abgebildet war, fehlte ein
Teil von ihm oder war unkenntlich. Nachdem ich alle Dateien gesichtet hatte,
war die Flasche bereits halb leer. Auf keinem Einzigen dieser für die Ewigkeit
geschaffenen Erinnerungen war er vollständig. Mal

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