Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
hatten eine gemeinsame Wohnung,
einen gemeinsamen Alltag – würde eine Hochzeit daran etwas ändern? Konnte es
noch mehr sein als das?
Da schwirrte mir ein Fakt durch den
Kopf, über den ich mir bisher kaum Gedanken gemacht hatte. Ich würde bald einen
anderen Namen tragen. Ich würde eine neue Identität bekommen, einen neuen
Ausweis, ein neues Leben.
Die Hochzeit würde vielleicht nichts
an unserem gemeinsamen Leben ändern, wohl aber an meinem .
»Schläfst du schon?« Seine Stimme
klang so leise, dass ich sie in dem Gedankenwirrwarr, das in meinem Kopf
herrschte, fast überhört hätte.
Ich drehte mich auf den Rücken und
starrte an die Decke, sein Arm noch immer fest um meinen Körper geschlungen.
»Emilia Schmidt – Wie klingt das für
dich?«
»Warum fragst du?«
»Naja ich werde den Rest meines
Lebens mit diesem Namen verbringen. Also wie klingt das?« Emilia Schmidt – das
klang doch irgendwie komisch.
»Warum machst du dir darüber
Gedanken?«
Jetzt starrte ich nicht mehr die
Decke sondern ihn an. Hatte er mir gerade nicht zugehört? Oder hatte ich das
alles gar nicht laut gesagt, sondern nur gedacht?
»Ich bin niemals davon ausgegangen,
dass du so heißen würdest«, sagte er, die Ruhe selbst.
»Nein! So eine will ich nicht sein!«,
raunte ich und setzte mich auf, damit ich ihn besser ansehen konnte.
»Bitte was?«
»Ehepaare, die ihre Namen behalten. So
was will ich nicht. Da kann man es doch gleich bleiben lassen. Es merkt doch
dann eh niemand.«
Er begann schallend zu lachen.
»Das habe ich nicht gemeint, mein
Schatz.« Zärtlich nahm er mein Gesicht in seine wärmenden Hände. »Ich habe mich
schon so lange damit auseinander gesetzt, dass ich inzwischen schon träume,
mich mit Robert Dryker vorzustellen«, und diesem Geständnis folgte ein
unterstreichender Kuss, der keinen Zweifel daran ließ, dass er es ernst meinte.
Mein Leben würde sich gewaltig
ändern. Ich hatte den tollsten Mann an meiner Seite, den man sich vorstellen
konnte – und er gehörte bald vollkommen mir – allein mir.
Kapitel 27
Ich sah auf mein Navi. Wenn ich
weiterhin so gut durchkam, würde ich am frühen Nachmittag wieder in Leipzig
sein. Mit einem Fußtritt ließ ich nochmals den Motor aufheulen und raste Richtung
Heimat. Es waren kaum Autos auf der Autobahn, weder vor noch hinter mir.
Überall nur gähnende Leere.
Ich war allein – überall allein.
Mein Vater erinnerte sich zuweilen
nicht daran, wer ich war, hatte mich fast vergessen. Meine Mutter war bereits
mehrere Jahre tot. Und Robert – er war fort.
Er, der immer für mich da gewesen
war, der mich gehalten und mir dabei geholfen hatte, die Trauer um meine
Mutter, die Angst um meinen Vater zu überstehen – er war nicht mehr da. Wie
sollte ich das weiterhin schaffen? Was würde mit mir passieren, wenn mein Vater
irgendwann nicht mehr genug Kraft haben würde? Wenn auch er mich endgültig
verlassen würde? Ich hatte niemanden mehr, der mir half – ich war allein.
Als damals der Anruf aus der Klinik
kam, dass meiner Mutter nur noch wenige Wochen bleiben würden, war Robert der
erste gewesen, der mir in den Sinn gekommen war. Ich hatte seine Nummer
gewählt, seine Stimme gehört und nichts gesagt. Ich hatte geschwiegen, zu tief
saß der Schock. Aber ich musste nichts sagen. Drei Stunden später stand er in
der Tür. Er muss förmlich geflogen sein, schließlich waren es von Frankfurt
nach Leipzig vierhundert Kilometer.
Er hatte mich in den Arm genommen,
mich festgehalten, mir Kraft gegeben. Und er hatte an diesem Tag beschlossen,
zu mir nach Leipzig zu ziehen. Wir kannten uns zu diesem Zeitpunkt gerade mal
ein halbes Jahr und sahen uns meist nur an den Wochenenden, weil er in einer
großen Bank in Frankfurt arbeitete und ich in Leipzig studierte. Er würde mich
nie wieder allein lassen, hatte er gesagt. Ich hätte auf der Stelle
protestieren sollen. Er hatte sein gesamtes Leben für mich aufgegeben, alles
was er sich bereits aufgebaut hatte, aber ich hatte es nicht gekonnt. Ich konnte
ihn nicht von mir stoßen. Er war das Einzige, was ich wirklich brauchte.
Mein Handy piepte. Kurz linste ich auf
das Display, aber da rührte sich nichts mehr. Der Akku hatte seinen Geist
aufgegeben und mit einem letzten Gruß in einen tiefen Schlaf verabschiedet.
Er würde mich nie wieder allein
lassen, wie Unrecht er doch hatte. Er hatte mich allein gelassen und er hatte
es freiwillig getan.
War das die späte Bestrafung dafür,
dass ich damals so
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