Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
anonymen Anrufers hatte die Polizei
gegen 17 Uhr über den Aufenthaltsort des Jungen in Kenntnis gesetzt. – und nun
weiter zu dir Tom, mit den Verkehrsmeldungen…«
Ich hörte nur noch mit einem halben
Ohr hin. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass der Junge vermisst worden war.
Aber wann hatte ich das letzte Mal auch bewusst die Nachrichten verfolgt?
Zumindest hatte das Ganze ein gutes
Ende genommen und im Gegensatz zu meinem Alltag, hatte hier die Gerechtigkeit
gesiegt. Der Junge war am Leben und der Entführer tot.
Kapitel 10
»Und was machst du heute?« , schallte es urplötzlich in meinem
Kopf und ich erschrak. Ich lag gerade auf dem Sofa und zappte durch die Kanäle,
als Robert wie aus dem Nichts auftauchte.
Als ich mich zur Seite wandte, lag er
völlig entspannt in seiner Sofakuhle, als wäre es das Normalste der Welt und
sah mich mit großen Augen an.
»Könntest du es bitte lassen, mir
immer so einen Schreck einzujagen?«, entgegnete ich, wobei ich versuchte,
meinen Herzschlag wieder herunter zu fahren. Aber es war ohnehin zwecklos. Mein
Herz hatte seinen eigenen Rhythmus, wenn er in meiner Nähe war.
Noch immer war es mir völlig
schleierhaft, was sich hier vor meinen Augen abspielte. Andere konnten ihn
nicht sehen, soviel wusste ich inzwischen. Vielleicht war er nur ein Gespinst
meiner überanstrengten Nerven. Ein Trugbild, das sich immer wieder vor meine
Linse schob. Ich hatte ihm versprochen, nie danach zu fragen, wie dies möglich
sei. Während ich kurz darüber nachdachte, richtete Robert sich auf und sah mich
entschuldigend an.
»Ich kann auch wieder gehen, wenn du
willst.«
Ich hatte also eine Wahl. Wieder ein
Puzzleteil mehr, das ich versuchte einzuordnen. Die Frage war bloß, lag es
überhaupt in meiner Macht, ihn fortzuschicken? War das wirklich meine Entscheidung? Oder war ich an der Stelle nicht eher von seiner Entscheidung
abhängig, ob er ging oder blieb?
Immerhin waren die Worte, die er mir
durch den Kopf jagte mehr, als das Herumprobieren meiner grauen Zellen, die
versuchten, ihn in jeder neuen Situationen darzustellen. Niemals hätte ich mir
solch einen Wutausbruch ausmalen können – ich hatte es nicht einmal für möglich
gehalten, dass er so sein könnte.
Er war einfach da, wenn auch anders
als früher. Doch seine Worte hatten immer noch die gleiche Wirkung auf mich wie
früher.
»Nein, geh nicht!«, flüsterte ich dem
Sofa entgegen. »Ich freu mich, dass du da bist – sehr sogar.«
»Gut! Ich hatte auch nichts anderes
erwartet«, schmunzelte er mich an. »Die Frage bleibt dennoch: Was machst du heute?«
»Was meinst du denn?«
»Schatz, heute ist Samstag! Du hast
frei und außerdem ist schönes Wetter. Du willst mir doch nicht erzählen, dass
du vorhast, den gesamten Tag in der Bude zu hocken!«
Daher wehte also der Wind. Er war
hier, um mich aus meiner Einöde zu retten. Eigentlich hatte ich genau das
vorgehabt – zu Hause sitzen und dem Ende des Wochenendes entgegenfiebern. So
war es die anderen Wochenenden auch gewesen.
»Was hältst du von einem Zoobesuch?«, unterbrach er meine
Gedanken.
»Bitte was?«
»Na lass uns in den Zoo gehen.
Spreche ich auf einmal Spanisch?«
Skeptisch sah ich ihn an. »Mit
dir?«
»Du kannst auch allein gehen. Ich
will mich ja nicht aufdrängen oder so. Wenn du lieber allein gehen willst, aber
ich habe…«
»Ist ja schon gut. Wir gehen in den
Zoo. Ich muss mir nur noch etwas anderes anziehen« , unterbrach ich ihn, bevor er sich
noch um Kopf und Kragen redete.
»Wunderbar. Mach dich hübsch für mich
Prinzessin«, sagte
er und sprang vom Sofa auf. »Wir sehen uns dann da!«, schallte es
entfernt in meinem Kopf und schon war er verschwunden.
Würde ich mich wohl jemals daran
gewöhnen, dass er so plötzlich kam – und ging?
* * *
Die Schlangen, die sich an den
Kassenhäuschen des Zoos gebildet hatten, waren bereits aus kilometerweiter
Entfernung zu erkennen.
Warum hatte ich mich nur dazu
hinreißen lassen? Schließlich war heute Samstag und der erste richtig warme Tag
des Jahres. Die Sonnenstrahlen brannten sogar etwas auf der Haut und ich spürte
das Kribbeln ihrer Kraft durch meinen Körper fließen.
Vor mir standen gefühlte hundert
Menschen, jung und alt, Mütter mit Kinderwagen, verliebte Pärchen. Es würde
noch Stunden dauern, bis ich endlich an der Reihe war.
»Du siehst bezaubernd aus, Prinzessin«, flüsterte es in meinen Ohren und
augenblicklich musste ich lächeln. Ich hatte mein rotes Sommerkleid
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