Schatten der Hölle: Der Blutkrieg der Weißen Hexen (German Edition)
gliederte mich in den Tagesablauf des Klosters ein.
Aufstehen um 5 Uhr morgens, Gottesdienst, Frühstück, anschließend Gartenarbeit, Beten, Meditation, Mittagessen.
Nach einer Pause folgten weitere Arbeiten. Vor dem Essen eine Zeremonie in der Kirche, dann Abendmahl, Gesprächsstunde und Rückzug in die Einsamkeit.
Der feste Ablauf verschaffte mir eine Sicherheit und innere Stabilität. Eine Art Vertrauen entstand in mir, das mir sehr gut tat. Ich lebte im Jetzt und nicht mehr im Morgen oder Gestern. Meine Konzentrationsfähigkeit und meine Willenskräfte wurden mit jedem Tag stärker. Ich war hellwach und meine Gedanken tanzten nicht mehr herum, sondern waren auf meine jeweilige Tätigkeit fixiert.
Mein Tag war ausgefüllt und die Aura des Klosters erzeugte in mir ein tiefes Gefühl des Friedens. Nach ein paar Wochen war ich fest integriert und durfte sogar abends das Tischgebet sprechen, was eine große Ehre darstellte.
Mathlun ging es gut. Er benutzte die Weide, wurde mit Heu und Streicheleinheiten versorgt. Malu bekam ebenfalls leckeres Essen und besuchte mich jeden Tag. Trotzdem begann mich etwas zu quälen. So wohl ich mich auch fühlte, die Zeit des Abschieds nahte, denn ich musste die nächste Aufgabe erfüllen. Mittlerweile kehrte bruchstückhaft meine Erinnerung zurück und ich setzte die Mosaiksteinchen des Rätsels geduldig zusammen.
Als ich an einem Sonntagmorgen in der Kirche den Gottesdienst mitgefeiert hatte, blieb ich noch einen Moment alleine sitzen. Ich war ganz in mich versunken und wie ein Blitz schoss es in meine Gedanken:
Es hält die Giganten der Wälder. Tief in der Erde ist sein Zuhause. Wer es verliert, hat keinen Halt im Wind. Wenn Du Dich in den Boden der Erde gräbst, wird es sichtbar. Ich war so glücklich, so erleichtert. Meine Aufgabe war zurückgekehrt und wieder bei mir.
Ich war dankbar, bekreuzigte mich, kniete nieder und verließ den Gottesraum. Voller Freude schlenderte ich durch den Klostergarten und genoss die ersten Strahlen der Frühjahrssonne. Ein Schmetterling flog um mich herum, eine Biene summte durch die Luft und mein Herz hüpfte vor Glück.
Trauer und Abschied
Voller Enthusiasmus rannte ich zu Mathlun.
„Bist Du bereit, unsere Reise fortzusetzen?“, fragte ich ihn. Mathlun wieherte: „Unbedingt, Angelina. Ich will die Welt erkunden.“
Malu hatte unsere Unterhaltung mitbekommen und flatterte auf meine Schulter: „Ich bin auch bereit. Endlich lerne ich neue Landschaften kennen.“
Erfreut schlenderte ich zurück ins Haupthaus, als plötzlich ein dunkler Schatten meine Gedanken erfasste. Ich spürte einen Schmerz in meinem Herzen und Elisabeth tauchte vor meinen Augen auf. Dann umwehte mich ein seichter Wind und ich vernahm einen leisen Hauch.
Aufgeregt stürmte ich zu Elisabeth. Die Tür ihrer Kammer war offen und um ihr Bett hatten sich einige Nonnen versammelt. Ich betrat den Raum und erblickte Elisabeth auf ihrem Bett. Ihre Hände lagen gefaltet auf ihrem Bauch und die Augen waren geschlossen. Kerzen brannten und ich spürte den Tod, der die Aura des Zimmers umgab.
„Sie erlitt einen Herzinfarkt“, flüsterte mir eine Nonne zu.
Tränen schossen aus meinen Augen. Ein tiefer Seelenschmerz umklammerte mich und eine Trauer beschwerte mein Gemüt.
Elisabeth tot? Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich wollte mit ihr noch so viel besprechen, sie um Rat fragen, mich bei ihr für alles bedanken und in Ruhe verabschieden.
Aus und vorbei! Elisabeth war auf dem Weg ins Land de s ewigen Lichtes. Ich war völlig von der Rolle. Elisabeth war für mich Mutter, Freundin und Oma zugleich gewesen.
Immer hatte sie ein offenes Ohr für mich gehabt und war stets mit einem guten Rat an meiner Seite. Ich stand im Zimmer und heulte wie ein Schoßhund. Plötzlich sah ich über Elisabeth einen Schatten, er stieg bis zur Decke, wurde umgeben von einem hellen Schein und dann flog er aus dem Fenster davon. Elisabeth hatte uns verlassen und ich wurde das erste Mal in meinem Leben mit dem Tod einer geliebten Person konfrontiert.
Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, verspürte nur eine ausgedehnte Leere in mir. Ich sehnte mich so sehr nach Elisabeth, schämte mich dafür, dass ich sie verlassen wollte. Ich hatte oft das Gefühl, sie ahnte, welche Bürde auf mir lastete und welches Schicksal ich bewältigen musste.
Nie hatte sie nach meiner Vergangenheit gefragt und auch nicht nach meinen Zielen.
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