Schatten der Liebe
den Vater des Mannes, der die Schuld an ihrem ganzen Leid trug: »Ich habe ihm ein Telegramm geschickt, ja - ein Telegramm, in dem stand, daß ich eine Fehlgeburt hatte, und Ihr werter Herr Sohn hat es nicht einmal für nötig befunden, mich auch nur anzurufen!« Zu ihrem Entsetzen merke sie, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.
»Ich warne dich, Mädchen«, begann er mit eisiger Stimme, »glaub ja nicht, daß du mit mir spielen kannst. Ich weiß, daß Matt zurückgekommen ist, um mit dir zu reden, und ich weiß, was in dem Telegramm stand, weil ich ihn gesehen habe und weil ich das Telegramm gesehen habe!«
Meredith bekam nicht gleich mit, was er über das Telegramm gesagt hatte. »Er - er ist zurückgekommen, um mit mir zu reden?« Ein seltsames, süßes Gefühl stieg in ihrem Herzen auf, aber genauso schnell war es wieder erloschen. »Das ist eine Lüge«, sagte sie tonlos. »Ich weiß nicht, warum er zurückgekommen ist, aber bestimmt nicht, um mit mir zu sprechen - das hat er nämlich nicht getan.«
»Nein, das hat er nicht«, tobte er. »Und du weißt ganz genau, warum er es nicht getan hat. Du warst in dem Bancroft-Flügel des Krankenhauses, und du hast verboten, daß er diesen Teil auch nur betritt.« Als hätte sein Zorn ihn plötzlich verlassen, ließ er die Schultern hängen und blickte sie in hilfloser Verzweiflung an. »Ich schwöre bei Gott, ich verstehe nicht, wie du so etwas tun konntest! Nachdem du sein Baby umgebracht hast, ist er vor Kummer fast verrückt geworden, aber als du dich geweigert hast, ihn auch nur zu sehen, hat ihn das fast getötet. Er ist zurück auf die Farm gekommen und hat gesagt, daß er nicht mehr nach Südamerika zurückging. Wochenlang mußte ich zusehen, wie er seinen Kummer im Alkohol ertränkte. Er war auf dem besten Wege, sich zu Tode zu saufen - so wie ich früher. Aber ich habe ihn wieder zur Vernunft gebracht und zurück nach Südamerika geschickt, um über dich wegzukommen «
Meredith hörte den letzten Teil kaum. Ihr Kopf dröhnte. Der Bancroft-Flügel war nach ihrem Vater benannt, weil er das Geld dafür gestiftet hatte. Ihre Privatschwester war von ihrem Vater angestellt worden; ihr Arzt war der Freund ihres Vaters gewesen. Alle, mit denen sie im Krankenhaus zu tun gehabt hatte, waren ihrem Vater irgendwie verpflichtet, und ihr Vater haßte Matt. Deshalb wäre es durchaus denkbar ... durchaus möglich, daß er ... Eine heftige Freude durchzuckte sie. Doch noch hatte sie Angst, Matts Vater zu glauben, und gleichzeitig Angst, ihm nicht glauben zu dürfen. Unsicher hob sie ihr tränenüberströmtes Antlitz und blicke in seine steinerne Miene. »Mr. Farrell«, flüsterte sie zitternd. »Ist Matt wirklich heimgekommen, um mich zu sehen?«
»Du weißt verdammt gut, daß er gekommen ist!« sagte Patrick hart, aber als er ihr schmerzerfülltes Gesicht sah, entdeckte er Verwirrung, nicht Schadenfreude, und eine Vorahnung überkam ihn, daß er sich vielleicht doch irrte; daß sie wirklich nichts von all dem gewußt hatte.
»Und Sie haben dieses - dieses Telegramm gesehen, das ich ihm angeblich geschickt habe - daß ich eine Abtreibung hatte? Was genau stand drin?«
Patrick zögerte und suchte, hin- und hergerissen zwischen Zweifel und Schuldgefühlen, ihre Augen. »Darin stand, daß du eine Abtreibung vorgenommen hast und daß du die Scheidung einreichst.«
Die Farbe wich aus Merediths Gesicht, das Zimmer begann sich zu drehen, und sie griff nach der Sofalehne, um sich daran festzuhalten. Tödlicher Zorn auf ihren Vater erfüllte sie. Sie dachte an diese furchtbaren, einsamen Monate nach der Fehlgeburt und an den unterdrückten Schmerz aller folgenden Jahre, den Schmerz darüber, daß Matt sie verlassen hatte. Am meisten aber erfüllte sie eine tiefe Trauer; dumpfe Traurigkeit befiel sie bei dem Gedanken an ihr totes Baby und bei dem Gedanken an alle, die Opfer der Manipulationen ihres Vaters geworden waren. Der Schmerz zerriß ihr fast das Herz, und heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ich hatte keine Abtreibung, und ich habe auch dieses Telegramm nicht geschickt ...« Ihre Stimme brach, und sie sah Patrick durch einen Schleier von Tränen an. »Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist!«
»Wer hat es dann geschickt?«
»Mein Vater«, stieß sie mühsam hervor. »Es muß mein Vater gewesen sein!« Ihr Kopf fiel nach vorne, und ihre Schultern bebten unter heftigen Schluchzern.
Patrick starrte das weinende Mädchen an, das sein Sohn einmal bis
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