Schatten der Liebe
dem polierten Holz ihres Schminktisches. Als ob sie nicht gehört hätte, daß Matt auf dem Weg nach oben war, hob sie den Lippenstift auf, um ihn zu benutzen, änderte dann aber abrupt ihre Meinung, drehte ihn zurück, steckte die Verschlußkappe darauf und ließ ihn in ihre Handtasche fallen. Sich für Matthew Farrell hübsch zu machen, der es nicht einmal der Mühe wert befunden hatte, ihr mitzuteilen, wohin sie gehen würden, damit sie sich entsprechend anziehen konnte, war mehr als überflüssig. Sollte er außerdem tatsächlich Vorhaben, sie zu verführen, dann war es umso besser, je schlechter sie aussah.
Ihre wackligen Knie ignorierend, ging Meredith zur Tür, riß sie auf, machte sich nicht die Mühe, ihre Augen höher als bis zu seiner Brust zu heben, und sagte wahrheitsgemäß: »Ich hatte gehofft, daß du dich verspätest.«
Diese unfreundliche Begrüßung war nicht schlimmer, als Matt erwartet hatte, aber sie sah so verdammt schön aus in dieser smaragdgrünen Aufmachung mit dem glänzenden, offenen Haar, daß er sich zusammenreißen mußte, um nicht laut aufzulachen und sie in seine Arme zu ziehen. »Auf wieviel Verspätung hattest du denn gehofft?«
»Ungefähr drei Monate.«
Da lachte er, ein tiefes, kehliges Lachen, das Merediths Kopf ein paar Zentimeter nach oben schnellen ließ, aber noch immer konnte sie ihn nicht in die Augen sehen. »Schön, daß du dich schon jetzt so gut amüsierst«, bemerkte sie bissig, während sie auf ein Paar sehr breite Schultern unter einem hellbeigen Cashmeremantel, einem braunen Jakkett und einem cremefarbenen Hemd blickte, das gegen seinen gebräunten Hals hell abstach.
»Du siehst bezaubernd aus«, sagte er leise, ihre Sticheleien ignorierend.
Ohne ihn anzusehen, drehte Meredith sich auf dem Absatz um und ging zum Garderobenschrank, um sich einen Mantel zu holen. »Da du nicht die Höflichkeit besessen hast, mir mitzuteilen, wohin wir gehen«, sagte sie in den Schrank hinein, »wußte ich nicht, was ich anziehen soll.«
Matt hatte sie nicht informiert, weil er wußte, daß sie sofort Streit anfangen würde, wenn sie es erfuhr. So sagte er nur: »Du hast genau das Richtige an.«
»Danke, das ist ungeheuer informativ«, entgegnete Meredith. Sie nahm einen Mantel aus dem Schrank, drehte sich um und prallte gegen seine Brust. »Hättest du etwas dagegen,mir freundlichst aus dem Weg zu gehen?«
»Ich helfe dir in den Mantel.«
»Hilf mir bloß nicht!« rief sie, trat zur Seite und zerrte an ihrem Mantel. »Hilf mir bloß nie wieder! Ich verzichte auf deine Hilfe!«
Seine Hand schloß sich um ihren Oberarm und zog sie sanft, aber unnachgiebig herum. »Wird es so den ganzen Abend über sein?«
»Nein«, erwiderte sie bitter, »das ist der angenehme Teil.«
»Ich weiß, wie verärgert du bist...«
Meredith hatte plötzlich keine Angst mehr, ihm in die Augen zu sehen. »Nein, das weißt du nicht!« sagte sie, und ihre Stimme bebte vor Zorn. »Du glaubst, daß du es weißt, aber du kannst es dir auch nicht im entferntesten vorstellen!« Sie vergaß ihren ursprünglichen Vorsatz, den ganzen Abend über nichts zu sagen und ihn so zu Tode zu langweilen, und fuhr ihn an: »Du hast mich in deinem Büro gebeten, dir zu vertrauen, und dann hast du alles, was ich dir über die Vergangenheit erzählt habe, gegen mich benutzt! Glaubst du ehrlich, daß du am Dienstag mein Leben kaputtmachen und am Mittwoch hier hereinmarschieren kannst, als ob überhaupt nichts geschehen wäre, du - du herzloser Heuchler!«
Matt blickte in ihre wütenden Augen und überlegte einen Moment lang ernsthaft, aber zu ihr sagen sollen: »Ich liebe dich.« Aber nach dem, was gestern passiert war, würde sie ihm nicht glauben - und wenn sie ihm doch glauben sollte, dann würde sie es gegen ihn verwenden und ihre Vereinbarung nicht länger einhalten. Und das konnte er nicht zulassen. Also nahm er ihren Mantel und hielt ihn ihr hin. »Ich weiß, daß du mich jetzt für einen herzlosen Heuchler hältst, und ich mache dir auch keinen Vorwurf daraus. Aber bitte sei wenigstens so fair, dich daran zu erinnern, daß vor elf Jahren nicht ich der Bösewicht war.« Sie steckte ihre Arme in die Mantelärmel und wollte sich wortlos abwenden, aber er legte seine Hände auf ihre Schultern, drehte sich herum und wartete darauf, daß sie ihren ärgerlichen Blick zu ihm hob. »Du kannst mich für das hassen, was ich jetzt tue«, sagte er ruhig, aber bestimmt, »das muß ich akzeptieren, aber hasse mich nicht für
Weitere Kostenlose Bücher