Schatten der Lust
Fenster aus. Sie war vom Tisch weggegangen, sowie sich alles beruhigt hatte, um sich ihre Haut mit einem Papiertuch sauber zu tupfen. Jetzt stand sie im Wohnzimmer und schien von irgend etwas gebannt.
Noch ehe Leda bei ihr war, hörte sie Mukasa knurren. Der Löwe stand am Ende der Einfahrt, direkt vor einem Mann mit langem schwarzem Haar. Er war zu weit weg, als dass Leda sein Gesicht erkennen konnte, aber seine dunkle Aura kollidierte spürbar mit der Lebensmagie über dem Haus.
Neben ihr stieß Samantha einen Fluch aus. »Das ist er. Das ist der Dämon, der sich mein Vater nennt.«
»Dann hat er den Gegenzauber nicht gewirkt«, überlegte Leda. »Wäre er stark genug, um den Schild von zwei Unsterblichen zu durchdringen und meinen Zauber zu stören, würde er jetzt nicht am Ende der Einfahrt stehen und hoffen, dass Mukasa keinen Hunger hat.«
Samantha sah sie ungläubig an. »Du meinst, er hat meine Mutter nicht entführt? Ich glaube, da irrst du dich.«
Sie stürmte aus dem Haus und die Einfahrt hinunter. Leda rannte ihr nach. Der Schutz reichte nur bis zur Straße, und außerhalb war Samantha verwundbar. Leda war dennoch überzeugt, dass dieser Dämon ihren Zauber nicht unterbrochen hatte. Die Magie war unglaublich gewesen, eher wie die, die sich über ihre Insel gelegt hatte, bevor Hunter sie abschirmte.
Samantha blieb innerhalb des Magieschildes stehen. Kurz darauf war Leda bei ihr und musterte den Dämon, der zu Besuch gekommen war.
Er hatte ein schönes Gesicht, wie alle Dämonen, und trug enge Kleidung, die seinen muskulösen Körper unter dem Staubmantel betonte. Unsicher beäugte er Mukasa. Zwar waren Dämonen schwer zu töten, aber von einem Löwen gefressen zu werden dürfte wohl selbst sie schaffen.
»Wo ist sie?«, schrien er und Samantha sich gegenseitig an.
»Was redest du denn?«, polterte Samantha dann als Erste. »Was zum Teufel hast du mit ihr gemacht?«
Der Dämon sah sie wütend an, allerdings auch beinahe besorgt. »Ich habe gar nichts mit ihr gemacht. Wo hast du sie versteckt? Ich war beim Haus und habe ihr Blut gesehen.«
»Denkst du etwa,
ich
war das?«
»Ich denke, dass du deiner Mutter nie verziehen hast, dass sie sich in einen Dämon verliebte.«
»
Verliebte?
«, wiederholte Samantha bissig. »Das ist doch ein Scherz!«
»Schluss jetzt!« Leda hob beide Hände, worauf die zwei sie wütend anstarrten. »Wenn keiner von euch weiß, wo sie ist, sollten wir wohl besser überlegen, was geschehen sein könnte.«
»Er lügt. Natürlich hat er sie verschleppt!«
Leda betrachtete den Dämon. »Nein, ich glaube nicht, dass er lügt.«
Er schien schlicht zu besorgt. Wie alle Dämonen sah er ausgesprochen gut aus: dunkel, seidiges Haar, Augen, bei denen man sofort seine Seele verschenken wollte. Obwohl er eine Tochter von Ende zwanzig hatte, wirkte er selbst nicht älter als dreißig. Das war natürlich eine Illusion, wenn auch eine sehr gute.
»Ich würde deiner Mutter niemals weh tun«, sagte er schmallippig.
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Du hast sie versklavt!«
»Das war etwas anderes.«
Wieder hob Leda die Hände. »Okay, ihr seid jetzt alle beide still, oder ich lasse Mukasa das regeln! Offensichtlich müsst ihr euch einmal richtig aussprechen – mit mir als Schiedsrichterin.«
»Ich rede nicht mit
dem
, Leda! Du hast ja keine Ahnung …«
»Nein, stimmt, habe ich nicht. Aber im Augenblick ist es wichtiger, dass wir deine Mutter finden.«
»Joanne«, sagte der Dämon.
»Wie bitte?«
»Sie hat einen Namen: Joanne.«
»Prima«, entgegnete Leda spitz, »und die wollen wir finden. Ob es dir gefällt oder nicht, Samantha, wir müssen erfahren, was er weiß. Also reden wir!«
Der Dämon blickte ungeduldig nach oben. »Könnt ihr den Schutz entfernen? Ich komme nicht daran vorbei.«
Leda verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir unterhalten uns hier, und wenn mir nicht behagt, was ich höre, kann ich dich entweder hereinziehen, damit die Lebensmagie dir das Hirn wegfrisst, oder ich erlaube meinem Löwen, dich als Kauspielzeug zu benutzen.«
Samantha kicherte.
»Und
du
«, wandte Leda sich an sie, »du lässt ihn ausreden! Deine Familienprobleme interessieren mich nicht. Mir geht es einzig darum, eine Frau zu finden, die verletzt sein könnte. Verstanden?«
Samantha schmollte, nickte aber. »Verstanden.«
»Danke.« Leda atmete tief durch. Die Spannung funkelte zwischen den beiden, aber wenigstens konnte Leda nun zwischen den beiden vermitteln. »Und
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