Schatten der Lust
brauchte. Tain redete davon, die Welt aller Magie zu berauben, damit er sterben konnte; allerdings war schwer vorstellbar, dass ein solch mächtiger Dämon sich opferte, um Tains Schmerz zu lindern, zumal wenn er die Ursache dafür war.
Was also wollte er von ihnen? Dafür sorgen, dass alle Unsterblichen gleichzeitig starben? Oder gab es einen anderen Grund?
»Entschuldige, ich bin verabredet.«
»Mit Septimus? Er kommt darüber hinweg.«
Hunter blickte in das vollkommene Gesicht. »Und warum soll ich ihn nicht treffen? Kann er mir etwas erzählen, das mir hilft, dich umzubringen?«
»Der Vampir weiß gar nichts«, fauchte der Dämon mit ätzender Stimme, »so gern er sich auch gegen mich stellen würde. Ich spare mir seinen Tod als besonderen Genuss auf. Aber jetzt will ich, dass du mit mir kommst.«
Hinter der Frau öffnete sich ein Portal, aus dem dunkler, faulig stinkender Nebel waberte. Dahinter war alles finster. Hunter raffte so viel Magie zusammen, wie er konnte, jene gleißend weißen Flammen, die Kali ihn heraufbeschwören gelehrt hatte. Der Wagen vibrierte unter der Kraft des weißen Lichts, das sich mit der dunklen Magie eines Dämons vermengte, welche sich aus Millionen Toten nährte. Er und der Dämon rangen stumm, während Hunters Schwert auf den Limousinenboden fiel.
Das Portal wurde breiter, bis es erst den Dämon, dann Hunter umfing. Wie eine Wetternadel drehte sich das Schwert, bis es mit der Spitze auf den Platz zeigte, auf dem Hunter saß. Dann schloss sich das Portal, und das Licht erlosch.
Der Fahrer, der nichts von alldem mitbekommen hatte, hielt vor Septimus’ Club. Tagsüber war hier alles ruhig. Er sah sich nervös um, weil er nicht recht überzeugt war, dass Septimus wirklich alle Dämonen fernhalten konnte, und öffnete die hintere Wagentür für das merkwürdige Wesen, das Septimus einen Unsterblichen genannt hatte.
Zunächst stieß der Fahrer einen stummen Schrei, dann einen lauten Fluch aus. Es saß niemand im Wagen. Bloß ein geschlängeltes Schwert lag einsam auf dem schwarzen Teppichboden.
Kelly und Samantha sahen interessiert zu, wie Leda ihre Tasche aus dem Schlafzimmer herbeischleppte und auspackte. Sie hängte ein Windspiel an einen Haken auf der Terrasse, das blinkte und im Meereswind einen glockenhellen Klang von sich gab.
Dann holte sie Mörser und Stößel hervor, um Weihrauch und Öle zu verrühren, sowie dicke gelbe Kerzen, die sie überall im Wohnzimmer verteilte. Sie bereitete eine Mischung aus Weihrauch, Sandelholz und Patschuli zu, die sie in eine kleine Schale streute. Das Gefäß diente als Feuerschale.
»Ist es okay, wenn ich bleibe?«, fragte Kelly. »Ich finde das so faszinierend.«
»Ja, kein Problem.«
Trotz ihrer Beziehung mit einem Vampir war Kellys Aura rein und stark, konnte Ledas Zauber also nur dienlich sein. Samantha besaß ebenfalls eine mächtige Aura, und in diesem Fall konnte ihre Todesmagie helfen, weil ihre Mutter auch davon befleckt war.
»Besitzt du zufällig eine Landkarte?«, fragte Leda Kelly, nachdem sie alle Schubladen im Haus vergeblich abgesucht hatte. Adrian hatte so gut wie keinen persönlichen Besitz, und eine Landkarte war weit und breit nicht zu entdecken. Vielleicht wusste der Mann auch so immer genau, wohin er ging.
»Ich sehe einmal nach.« Kelly nahm ihr Handy in die schmalen manikürten Finger und rief ihre Hauhälterin an. Binnen einer halben Stunde brachte diese gleich fünf Landkarten – von Los Angeles, Südkalifornien, dem Bundesstaat, den westlichen USA und dem gesamten Land. Manny steuerte Meersalz und eine Schale aus der Küche sowie Streichhölzer für den Weihrauch bei.
Es war eine Weile her, seit Leda zuletzt einen Kreis geformt hatte. Früher hatte sie das täglich gemacht, um zu beten oder ein bisschen zu zaubern. Aber mit der zunehmenden Todesmagie waren die Kreise immer unheimlicher geworden, denn die Finsternis hatte die Todesmagie genutzt, die in ihr enthalten war. Und dann war auch noch Hunter in ihr Leben geplatzt. Seither war sie viel zu beschäftigt gewesen.
Jetzt bereute sie es, denn sie war aus der Übung. Alles Denken aus dem Kopf zu verbannen war nicht leicht. Sie durfte an nichts als den Kreis und seine Magie denken. Dann jedoch spürte sie die Energie, die Hunter von allem Dunklen befreit hatte, und sie fühlte sich gut an.
Leda nahm die Energielinie wahr, die unter Adrians Haus verlief, und öffnete ihren Geist für sie wie auch für die frische Luft, die über dem Meer wehte.
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