Schatten der Vergangenheit (German Edition)
Unterlagen bis Montag aufzuarbeiten – unter anderem die Fotos.
„Schwarzer Donnerstag, mhm.“ Schwarzer Samstag wohl eher, dachte Ben.
Harald kam näher und setzte sich auf den Stuhl, der vor dem zierlichen, französischen Schreibtisch stand. Benjamin zog seine langen Beine, die unter dem Schreibtisch hervorsahen, zurück.
„Ich war in Kalifornien“, erzählte Harald in einer Art und Weise, so dass Benjamin sofort wusste, dass er nicht vorhatte, ihm nur von einer normalen Geschäfts- oder Vergnügungsreise zu erzählen. Aber er spielte das Spiel mit, denn Harald wollte es nicht anders.
„Und was gab es in Kalifornien?“ fragte er schmunzelnd. „Filmstars?“ neckte er Harald.
Harald schnaubte. Wie kam sein Sohn auf solche Ideen? Er hatte wahrlich andere Dinge im Kopf.
„Als würden mich noch Schauspielerinnen interessieren! Ich gehöre doch nicht zu den hormongestörten alten Männern, die sich junge Dinger nehmen!“ rief er entrüstet aus.
Beide Männer sprachen aus Gewohnheit Deutsch miteinander. Es war kein perfektes Hochdeutsch, sondern vielmehr ein altes Wienerisch, das oft mit jüdischen Wörtern durchsetzt war und dem Jiddisch ähnelte. Beiden war dies vertraut, da beide in Wien geboren waren und in einer Gemeinschaft aufgewachsen sind, wo neben der jeweiligen Landessprache diese alte Sprache, durchsetzt mit der Sprache aus dem Geburtsland, gesprochen wurde.
„So was war es dann? Hast du einem geldgierigen Dekan wieder Geld versprochen?“ fragte Benjamin weiter. Ben selbst hatte nicht auf einer Ivy League Universität studiert und es auch nicht bereut.
Harald lachte leise. Wie gut sein Stiefsohn ihn kannte. Er konnte so schwer nein sagen, wenn ihn jemand um Geld für Ausbildung bat. Vielleicht kam das daher, weil er selbst nie eine Universität besucht hatte, dachte er und sah seinen blonden Stiefsohn liebevoll an.
Sein Sohn sah wie ein Nordländer aus. Ein Erbe seines dänischen Vaters war seine Größe, die hellblauen Augen und die beinahe weißblonden Haare. Welch eine Schande, dass er noch immer unverheiratet war, dachte Harald traurig.
„Nein, diesmal nicht. Ich war ein klein wenig abgelenkt“, gestand Harald und sah auf die Oberfläche des Schreibtisches. Unter einer weißen A4 Seite lagen einige Fotos. Er wollte schon danach greifen, aber Ben hielt seine Hand fest.
„Lass das. Du möchtest das nicht sehen!“ warnte Benjamin seinen Stiefvater.
Harald war, auch wenn er im Geschäftsleben oft sehr hart sein konnte, im Grund ein sehr sensibler Mann und Ungerechtigkeit konnte er ebenso wenig sehen, wie Gewalt. Harald hatte auch nie verstanden, wie sein Stiefsohn jahrelang in der Armee dienen konnte, auch wenn es die Israelische war und Israel seine zweite oder dritte Heimat, je nach dem wie man es sah.
„Mein Gott, Ben. Ich bin kein kleines Kind!“ rief Harald aus.
„Erzähl lieber, was es in Kalifornien gab!“ forderte Ben auf und hielt mit einer Hand das weiße Blatt über die Fotos, damit sein Stiefvater es nicht wegziehen konnte.
„Ich war bei einem Polospiel in der Nähe der Stanford Universität und habe Monsieur Philippe d´Arthois kennen gelernt.
Benjamin ließ sich nicht anmerken, dass er erstaunt oder neugierig war. Eine Eigenschaft, die er bei seiner Arbeit für den Geheimdienst perfektioniert hatte. Viele Menschen hielten ihn seitdem für eiskalt.
„So?“ fragte er nur. „Und willst du nicht wissen, wie der Mann ist, in den deine Verlobte so verknallt war?“ „Mein Gott. Das ist Jahre her, Harald. Du denkst doch nicht, ich bin deshalb an ihm interessiert?“ fragte Benjamin.
„Warum nicht? Wäre doch einmal eine normale, menschliche Regung an dir!“ Benjamin hatte sich nie anmerken lassen, wie sehr er von Hannah enttäuscht war, aber Harald kannte Ben besser als viele andere Menschen.
„Nein, das wäre nur idiotisch, sich nach so vielen Jahren an einen jungen Mann zu rächen, der...“ Er brach ab, denn er wollte beinahe sagen, dass dieser junge Mann mehr Probleme hatte, als er ihm aus Rache für Hannah bereiten konnte, aber stattdessen sagte er: „Gerade mal achtzehn war und Hannah ist und war ein dummes Mädchen. Sie ist mit ihrem zweitklassigen Polospieler genug gestraft.“
Harald murmelte etwas, dass sich wie „Besserwisser“ anhörte. Ben ließ diese Bemerkung unkommentiert. „Er ist sehr charmant“, sagte Harald und sah wieder auf die
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