Schatten der Vergangenheit (German Edition)
keinen Moment daran, dass John an diesem Tag so unachtsam ritt, weil er herausgefunden hatte, dass Soledad ihn betrogen hatte.
Ana erkannte Peter Harting sofort. Harting trug eine schlichte Jeans und ein blaues Hemd, dazu Turnschuhe. Wenn sie es nicht ohnehin schon gewusst hätte, so hätte sie ihn als typischen Amerikaner eingestuft. Er hatte diesen amerikanischen Haarschnitt mit Seitenscheitel und einen breiten Nacken, den sie immer den Amerikanern zuschrieb – und insgeheim den vielen Hormonen im Rindfleisch. Ana kannte ihn von einer Rede aus Stanford und von Alessandros Erzählungen, er stand ganz oben auf ihrer Liste. So ein Mann wie Harting konnte es mit ihrem Vater aufnehmen, so einen Mann brauchte sie.
Peter Harting sah für sein Alter verdammt gut aus, er hatte ein kantiges Kinn, markante Backenknochen, dichte graumelierte Haare, die er relativ kurz geschnitten trug und sehr helle Augen. Aus der Entfernung hatte Ana nie sehen können, welche Farbe seine Augen hatten, entweder grün oder blau. Jetzt hatte sie die Gelegenheit dazu.
Sie konnte natürlich einige Bemerkungen fallen lassen, wie er sein Umweltproblem in den Griff bekommen konnte. Der Mann hatte von globaler Erwärmung wohl noch nie etwas gehört – oder wollte nichts davon wissen. Er hatte auch keine Skrupel, wenn es um Kinderarbeit in armen Ländern ging, um seinen Profit zu erhöhen. So ein Mann wie Harting ging über Leichen, so jemand hatte auch vor einem Mann wie Geraldo Alvarez keine Angst.
Wenn sie so darüber nachdachte, fand Ana Peter Harting dann doch nicht mehr so gutaussehend und als sie vor ihm und Philippes Vater mit dem Pony zum Halten kam und ihren Helm abnahm, hätte sie diesen gerne Peter Harting an den Kopf geworfen. Sie tat es nicht, da sie Gast bei Henry d´Arthois und seinem hervorragend Polospielenden Sohn war.
Sie war auch ein Mädchen und nicht blind. Sie sah, dass Philippe umwerfend aussah und seinen Charme hatte. Vor allem, wenn er sie mit diesem breiten Grinsen ansah und seine perfekten weißen Zähne zeigte. Er war wie Alessandro... Vielleicht noch ein wenig raffinierter, besser aussehend und verheiratet! Verheiratet? Ob Alessandro das wusste? Ah, sie konnte ihm viel erzählen, wenn sie wieder auf Besuch in Argentinien war.
Ihr Magen knurrte und lenkte sie von den Gedanken an Alessandro ab. Sie hatte Hunger, weil sie kein Frühstück und kein Mittagessen gehabt hatte. Ob sie zum Essen eingeladen werden würde? Sie hatte auch keine Kleidung zum Wechseln und auf ihrer Jeans klebten einige Grasbüschel. Sie schwang sich vom Pferd und reichte Pit, dem Stallburschen oder vielmehr Oberstallburschen, soviel sie mitbekommen hatte, den Mallet und die Zügel.
„Mucho gracias“, sagte sie. „Mädchen, du solltest professionell spielen“, sagte Pit. Ana grinste nur. Ihre Eltern würden darüber nicht erfreut sein, genauso wenig wie über ihren Ergeiz. Mit Polo selbst war viel zu wenig Geld zu verdienen, um ihren Vater zu schaden, besser war es jemanden wie Harting hinter sich zu haben. Henry mischte sich ein.
„Lass Miss di Solis in Ruhe...“
„Ist schon in Ordnung, aber es würde mich auf Dauer auch nicht befriedigen, nur zu spielen”, antwortete Ana und klopfte sich die Grasflecken ab. Sie hatte auch nie darüber nachgedacht. Seit sie denken konnte, wollte sie immer in der Firma ihres Vaters arbeiten. Sie wollte seine Firma leiten, aber leider war sie ein Mädchen, wie Alvarez immer wieder anmerkte.
Viel zu retten gab es bei der Hose nicht. Die Jeans war nicht neu und sah vor dem Spiel schon nicht gut aus. Sie hatte über dem Knie einen Riss, der allerdings neu war. Sie versuchte, ihn kurz zusammenzuziehen, aber sie wusste, dass hatte am Knie wenig Sinn. Ob sie Knieschützer tragen konnte, damit es niemand sah?
Philippe war nun auch herangeritten, abgestiegen und nachdem er den Helm abgenommen hatte, fuhr er sich mit gespreizten Fingern durch die zusammengedrückten Haare. Er hasste zusammengepresstes Haar. Wenn es nicht gefährlich und bei Spielen verboten wäre, würde er immer ohne Helm spielen.
„Schade, dass die Mannschaft für morgen voll ist, denn sie hätte sonst mitspielen können“, sagte er und sah Ana an.
Mit der engen Jeans, der athletischen Figur, den langen dunkelblonden Haaren und mal abgesehen von den Katzenaugen, war sie schön, in einer unsophistischen Art und Weise. Sie legte auf ihr Aussehen keinen Wert. Die Augenbrauen waren nicht
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