Schatten der Vergangenheit (German Edition)
sie großzügig bezahlte.
„Nein, aber mein Vater.“ Philippe machte ein ratloses Gesicht. Ihr Vater? Wer war ihr Vater? Hatte er irgendetwas nicht mitbekommen? Henry lachte. „Darf ich vorstellen, Ana di Solis Alvarez.“ Philippe schlug sich mit der Hand auf die Stirn.
„Ach Gott, du bist die Nervensäge, von der Alessandro immer erzählt!“ rief er aus. Ana wurde ein wenig rot und sah verlegen zu Boden. „Das sagt er über mich?“ fragte sie kleinlaut.
„Ach Unsinn, Alessandro meint das nicht so“, sagte Henry und sah Philippe eisig an. Wie unsensibel konnte sein Sohn nur sein!
„Doch, doch, das meint er, aber er schätzt deine Buchhaltungskenntnisse...“ Alessandro war ein Idiot, dachte Philippe. Ana Alvarez, das reichste Mädchen Südamerikas sah auch noch umwerfend aus und spielte hervorragend Polo. Was wollte Alessandro mehr? Er, an seiner Stelle, hätte sich das Mädchen schon längst gesichert. Gute Idee, wo sie auch noch Geld hat – oh, jetzt hätte er beinahe wieder seine Ehefrau vergessen. So ein Mist!
Henry konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Ana zog die Schultern hoch und seufzte laut. Diese Männer. Ihre Buchhaltungskenntnisse, mehr nicht? Oh Gott, der nahm sie auf den Arm und sie fiel auch noch darauf herein. Rasch wendete sie sich Catarina zu, die sie seit vielen Jahren von ihren regelmäßigen Aufenthalten in Argentinien kannte.
„Wie hältst du das mit denen aus?“ fragte sie. Catarina lächelte sanft. Das Mädchen erinnerte sie sehr an Geraldo.
„Mit viel Liebe“, gestand sie und sah auf die zerrissene Jeans von Ana. Das Mädchen würde in einem Kleid sicher reizend aussehen, aber sie kannte Ana, die sich standhaft weigerte, etwas Feminines anzuziehen, warum auch immer. Sie sah zu ihrem Sohn, der trotz Lachen, Ana mit einem gewissen Blick ansah. Sie musste mit Geraldo telefonieren, mit Henry konnte sie darüber nicht sprechen. Nach all den Jahren, musste sie Geraldo die Wahrheit sagen aber besser jetzt, ehe etwas passierte.
„Jetzt werden wir dir mal eine neue Jeans suchen. Caro hat davon eine große Auswahl...“ Sie wendete sich ihren noch immer lachenden Männern zu „Und ihr zwei, schämt euch!“ Philippe gluckste. „Tut mir leid, Mama.“ „Ja, ja, dir tut es nicht leid. In dieser Hinsicht bist du wie dein Vater!“
Die zwei Frauen eilten davon. Henry und Philippe sahen ihnen hinterher.
Philippe lachte noch immer, aber das Lachen blieb ihm im Hals stecken, als sein Vater sagte: „Die hättest du heiraten sollen, Philippe, nicht diese dünne Barbiepuppe, die nicht mal 1 und1 addieren kann. Dann hätte ich keine Sorgen mehr gehabt.“
„Sehr witzig, Vater. Das Mädchen ist sechzehn!“ „Ja und? Deine Mutter war auch nicht viel älter, als ich sie heiratete!“ Henry seufzte tief. Philippe wollte ihn daran erinnern, dass seine Mutter schwanger war und Henry deshalb Catarina rasch heiratete, sonst wäre er unehelich auf die Welt gekommen. Aber er behielt die Worte für sich. Sein Vater wollte selten an seine eigenen Sünden erinnert werden. „Nun ist es zu spät. Wo ist deine schöne Frau eigentlich? Pferde sind wohl nicht ihr Ding...“
„Die stinken“, murmelte Philippe, der alle Hoffnung auf mehr Geld dahinschwinden sah. Er konnte froh sein, wenn ihm sein Vater das übliche Geld monatlich überwies und nicht aus der Londoner Wohnung warf.
„Wie soll diese Ehe funktionieren, wenn sie deine größte Leidenschaft nicht mit dir teilt?“ Nicht mal meine andere Leidenschaft, dachte Philippe frustriert, sagte dies aber nicht. „Hast du etwas anderes von mir erwartet?!“ rief Philippe stattdessen aus.
„Nein, von dir erwarte ich nichts mehr“, sagte Henry bitter.
„Hast du doch nie! Für dich gab es nur einen Sohn und der ist tot. Weißt du, wie oft ich mir wünsche, ich wäre an seiner Stelle gestorben?!“ Philippe sah dabei seinen Vater nicht mehr an, sondern ging mit raschem Schritt in das Schloss, ohne sich die Knieschützer abzunehmen. Sein Vater sollte nicht die Tränen, die Wut und seine Verzweiflung sehen. Niemand sollte das.
Henry sah ihm nach und schämte sich, weil er genau das so oft gedacht hatte. Es war nicht richtig. Er wusste das, aber immer wieder kam ihm dieser Gedanke. Er wollte Philippe nicht verletzen, aber warum machte der Junge nichts aus seinem Leben?
Philippe fand Ana in der alten Bibliothek, die voller alter, gebundener Meisterwerke war.
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