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Schatten der Vergangenheit (German Edition)

Schatten der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schatten der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fromwald
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berühmt war er, ihr Vater, dass selbst der normale Taxifahrer, der irgendwo in der ärmlichen Vorstadt wohnte, ihn kannte.  „Ja, der wohnt hier.“
     
    Genau deshalb konnte sie hier nicht mehr leben, obwohl es ihr das Herz brach. Sie liebte ihr Land. Es war ihre einzige Heimat. Ana hatte inzwischen in vielen Städten gelebt. Paris, San Francisco, New York, London, Boston, selbst andere lateinamerikanische Städte hatte sie besucht, aber keine war ihr näher als Buenos Aires.
     
    Der Wächter, in seinem dunkelblauen, wenn auch schlichten, tadellosen Anzug und weißem gestärkten Hemd kam zum Fenster. Er sah in das Auto und erkannte Ana auf dem Rücksitz.
     
    „Senorita Alvarez, schön, dass Sie wieder da sind!“ 
     
    Es war nicht nur Höflichkeit. Ana war bei den Angestellten ihrer Familie beliebt, weil sie nicht eingebildet und arrogant war. Zu allen war sie gleich freundlich. Der Wächter lächelte, zeigte seine weißen Zähne im braungebrannten Gesicht und winkte der Kamera zu.
     
    Es gab noch einen anderen Wächter, der hinter der Mauer saß und der das Tor öffnen konnte, wenn ihm Paolo, der erste Wächter, ein Zeichen gab oder ihn anrief. Seit den großen Unruhen war es notwendig geworden, dass sich die Reichen von den Armen hermetisch abschotteten. Da Don Geraldo sich bereits vor den Unruhen abgesichert hatte, hatte sein Besitz diese Zeiten ohne besonderen Schaden überstanden. Sein Geld hatte er ohnehin zu einem großen Teil im Ausland, wie viele reiche Argentinier, die nie ganz ihrer eigenen Währung und Regierung vertrauten. Es war eine Art Hassliebe.
     
    Das große Tor öffnete sich und gab den Weg frei auf eine breite Straße, die zur Villa Alvarez führte.
     
    Der Taxifahrer sah immer wieder in den Rückspiegel, jetzt, wo er wusste, wer die junge Frau war. Sie sah so jung aus, dachte er. Warum hatte er sie nicht erkannt? Sie sah ihrer Großmutter so ähnlich. Die gleichen grünen Katzenaugen, die dicken dunkelblonden Haare mit einigen glänzenden, goldenen Strähnen und den ungeschminkten, dennoch dunkelroten, geschwungenen Mund. Eine Alvarez durch und durch. Niemand würde Ana Maria Alvarez vergessen, auch wenn sie jetzt im Ausland lebte, aber er konnte sich noch an die Erzählungen seines Vaters erinnern und er hatte Bilder von ihr gesehen.
     
    Anas Großmutter war zu ihrer Zeit eine der schönsten Frauen des Landes gewesen und jeder wichtige Mann verkehrte in ihrem Haus – und man sagte, nicht nur in ihrem Haus... Sie hatte auch den Ruf, es mit der ehelichen Treue nicht all zu Ernst zu nehmen, deshalb wurde Großmutters Name im Hause der bigotten di Solis auch nicht mehr erwähnt und ihr Bild aus der Eingangshalle entfernt. Ihr Sohn, Anas Vater, hatte dem nur zugestimmt.
     
    Die Enkelin der berühmten Ana Maria war nicht teuer gekleidet. Sie trug ein T-Shirt mit V-Ausschnitt und eine Halskette mit einem goldenen Anhänger, der die Form eines Reiters hatte, keine Ohrringe, eine verwaschene alte Jeans und alte Turnschuhe. Selbst ihr Gepäck bestand aus einer alten Lederreisetasche und einer länglichen Tasche, die irgendwelche Schläger beinhaltete. Der Taxifahrer tippte auf Mallets, denn Polo war in der Alvarez Familie beliebt. Er selbst war ein Anhänger der Balladors.
     
    Nichts, bis auf die Mallets, erinnerte an den Reichtum der Alvarez Familie. Dabei war sie die Erbin eines großen Vermögens. Das wusste jeder in Buenos Aires.
     
    Ein Dienstmädchen in schwarzem Kleid mit weißem Kragen und ebenso weißer Schürze winkte dem Taxifahrer zu, dass er sich schräg zum Eingang der Villa stellen sollte. Er tat es und nannte den Preis für die Fahrt. Ehe das Dienstmädchen das Geld aus ihrer Schürze holen konnte, hatte Ana dem Taxifahrer bereits das Geld gereicht und sagte: „Danke.“
     
    Sie konnte den Taxifahrer selbst bezahlen. Ihr Vater hätte sie auch vom Flughafen abholen können. „Gerne. Ich hoffe, Sie haben einen schönen Aufenthalt.“
     
    Ana presste die Lippen fest zusammen, um zu verhindern, dass sie darauf etwas erwiderte und stieg aus. Sie nahm ihre Tasche, ehe das Dienstmädchen sie ihr aus der Hand nehmen konnte.
     
    „Guten Tag, Marta“, grüßte Ana die ältere Frau. „Mein Gott, Ana, Sie sind erwachsen geworden...“
     
    Marta war eben schon viele Jahre im Dienste der Alvarez. Sie kannte Ana, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie konnte sich auch an den Tag erinnern, als die Fünfzehnjährige ihren Koffer, und zwar genau diesen alten Lederkoffer, den

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