Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
mich stattdessen in die Wohnung meiner kranken Oma zurückgezogen, weil ich diesen bescheidenen Tag einfach nur hinter mich bringen wollte.
Was glücklicherweise irgendwie funktioniert hat und ich mich der schwachen Hoffnung hingebe, dass es heute doch eigentlich nur besser werden kann. Weshalb ich mich aus dem Bett quäle und mir zuallererst eine erfrischende Dusche gönne und beschließe, mir in der Stadt irgendwo ein schnelles Frühstück zu verschaffen, da ich hier in der Wohnung nicht wirklich überleben könnte, aber auch nicht vorhabe, mich häuslich einzurichten. Denn an meinem Entschluss, hier so bald wie möglich wieder zu verschwinden, hat sich rein gar nichts geändert, eher im Gegenteil. Nach der Aktion mit Marc gestern würde ich lieber heute als morgen dieses Dorf hinter mir lassen, was ich allerdings meiner Oma nicht einfach so antun kann, ohne dass ich vorher mit ihr darüber rede. Womit mein Tag bereits so gut wie verplant ist.
Also laufe ich eine Stunde später mit deutlich besserer Laune als gestern durch die kleine Nachbarstadt, die in meiner Jugend unsere einzige Möglichkeit war, einmal aus unserem langweiligen, öden Dorftrott auszubrechen und muss gestehen, dass sich hier so einiges verändert hat. Was mich beinahe ein wenig melancholisch stimmt, weil es sich irgendwie fremd anfühlt. Ganz anders wie mein Heimatdorf, das mir so vorkommt, als sei ich nie weggewesen und die sechs Jahre nie passiert wären. Hier allerdings erkennt man kaum etwas wieder. Alles scheint dem Fortschritt gewichen und einer Verjüngungskur unterzogen. Der alte Teich hat nichts mehr mit dem Ruheplatz meiner Kindheit zu tun, in dem wir fast jeden Sommer zum Baden waren. Heute dient er lediglich einigen Enten und Besuchern als schöner Anblick. Ein unübersehbar großes Schild verbietet eindringlich das Baden im See, was mich beinahe wehleidig aufseufzen lässt.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch durchaus einige schöne Neuerungen, wie zum Beispiel die zahlreichen Geschäfte, die meine Aufmerksamkeit fordern und ich jedes Schaufenster genauestens inspiziere. Bis ich an einem Geschäft für Hopperklamotten stehenbleibe und ganz gegen meine sonstige Art hineingehe, weil mir plötzlich danach ist, eine kleine Entschädigung für Holger zu besorgen, um mich für den verpatzten Anruf von gestern zu entschuldigen.
Doch kaum, dass ich komplett in dem Laden drin bin, fühle ich mich schon reichlich überfordert von dem Angebot, denn ich kann keineswegs behaupten, irgendwie Gefallen an diesem Klamottenstil zu finden, auch wenn es Holger wirklich gut steht. Genau wie Marc, den ich gar nicht anders kenne und der diese wirklich unkleidsamen Teile mit solcher Eleganz trägt, dass sie an ihm schon wieder schick wirken. Um also meine fehlende Leidenschaft dahingehend auszubügeln, schaue ich mich deshalb suchend nach einer Verkäuferin um, die mir eventuell ein wenig helfen kann, was sich allerdings als kleine Schwierigkeit herausstellt, da weit und breit niemand zu sehen ist, der hier angestellt scheint.
Bis plötzlich irgendwoher ein lautes Poltern, gefolgt von wüsten Flüchen in den Verkaufsraum dringt und ich ein vorsichtiges „ehm, Hallo … alles in Ordnung?“, in die Richtung werfe, in der ich jemanden vermute. Woraufhin ein angestrengtes Ächzen zu mir nach vorne dringt.
„Jaja, alles Bestens, bin gleich bei Ihnen“, klingt die Stimme ein wenig überfordert, was mich ganz automatisch näher auf die angelehnte Tür zugehen lässt, um eventuell zu helfen und habe eben diese keine Sekunde später vorm Kopf, was mich erschrocken aufkeuchen lässt. Instinktiv schnellt meine Hand an meine Nase und ich muss nicht mal nachsehen, um zu erkennen, dass sie zumindest blutet, vom pochenden Schmerz mal ganz abgesehen.
„Oh mein Gott, nein. Das, oh nein nein nein, ich … das … also … Gott … ich hol ein Tuch“, scheint die junge Dame, welche offensichtlich ihren Frust schlicht an der wehrlosen Tür auslassen wollte, ziemlich aufgebracht über ihre Tat und rennt im selben Moment wieder nach hinten, um sogleich mit einem feuchten Tuch zurückzukommen und wie angewurzelt stehenzubleiben, als sie mich jetzt endlich scheinbar wirklich erst richtig wahrnimmt und ermöglicht es mir somit auch einen prüfenden Blick auf meine Attentäterin zu werfen.
„Lissy?“, bin ich mir nicht ganz sicher, ob der Zusammenprall mit der Tür eventuell mein Gehirn geschädigt hat, oder ob hier leibhaftig Marcs große Schwester Melissa vor
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