Schatten Der Versuchung
erfolgreich zu der irrigen Annahme verleitet, dass er, Razvan, derjenige mit den überragenden magischen Fähigkeiten wäre, obwohl es in Wirklichkeit Natalya war. Die Geschwister hatten ein kompliziertes Täuschungsmanöver durchgezogen, und Razvan war häufig bestraft worden, wenn es Natalya nicht schnell genug gelungen war, Experimente abzuschließen und die Informationen an ihren Bruder weiterzugeben. Sie hatte sich im Hintergrund halten können, während ihr Bruder sämtliche Risiken auf sich genommen hatte, und jetzt konnte sie nach all seinen Opfern den Gedanken nicht ertragen, dass sie nicht da gewesen war, um ihn zu retten, so wie er sie gerettet hatte. Sie war nicht für ihn da gewesen, und er hatte sich dem Bösen zugewandt. Ihre Schuldgefühle lagen ihr schwer auf der Seele, eine furchtbare Last, die Vikirnoff genauso spürte wie sie.
Sie blickte auf. »Gibt es eine Möglichkeit, ihn zurückzuholen? Können wir den Schaden, der bei ihm angerichtet worden ist, wiedergutmachen?«
»Natalya ...« Eine leise Warnung schwang in seiner Stimme mit. »In seinen Adern fließt karpatianisches Blut. Es ist durchaus möglich, dass er jetzt zum Teil Vampir ist. Ich hätte nie gedacht, dass Vampire sich jemals miteinander verbünden würden, aber genau das haben sie getan. Und dein Bruder hat sich ihnen angeschlossen. Maxim und seine Brüder finden, dass sie die Herrscher der Welt sein sollten. In der Hoffnung, über alles die Kontrolle zu bekommen, haben sie sich mit den Vampiren zusammengetan. Die Untoten benutzen deine Forschungsergebnisse, um einander zu erkennen, das heißt, diejenigen, die an dieser Verschwörung beteiligt sind. Ich habe diese Parasiten zum ersten Mal im Blut der Gefährtin meines Bruders entdeckt. Sie wurde als Kind von einem Vampir entführt und umgewandelt. Sie war in der Lage, ihn zu besiegen, doch ihr Blut verriet sie den anderen Untoten. Durch die Parasiten im Blut können Vampire die Mitglieder der Verschwörung identifizieren. So muss es sein.« Seine Stimme wurde sanfter. »Du weißt, dass Razvan für dich verloren ist?«
»Wie soll ich das wissen? Die Heiler können Unglaubliches leisten. Vielleicht könnte er gerettet werden. Er ist kein reiner Karpatianer, und falls er umgewandelt wurde, ist er nicht ganz und gar Vampir.« Sie fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, als könnte sie damit das Wissen über das Ausmaß von Razvans Verrat auslöschen. »Er war ein guter Mann. Jahrhundertelang war er ehrenhaft und anständig und musste Furchtbares erdulden.«
Vikirnoff seufzte. »Du hast dich gefragt, warum er unbedingt Kinder wollte. Ich habe diese Frage oft in deinem Denken gesehen.«
Sie schluckte den Kloß hinunter, der ihr plötzlich in die Kehle gestiegen war, wandte das Gesicht ab und schüttelte leicht den Kopf.
»Er will Blut, genauso wie Xavier das Blut seiner Kinder wollte, um sein Leben zu verlängern«, sagte er leise. »Nur so konnte er all die Jahre am Leben bleiben. Nicht alle Kinder werden haben, was Razvan braucht, deshalb wollte er mehrere Kinder von unterschiedlichen Müttern.« Und jetzt wollte Razvan Natalyas Blut, so wie Xavier all die Jahre danach verlangt hatte. Aber Razvan würde sie Vikirnoff nicht wegnehmen. Er durfte die zarten Fäden, die sie miteinander verbanden, nicht zerreißen.
»Das kannst du nicht wissen.« Aber es klang logisch. Es war genau das, was Xavier getan hatte. Natalya hatte es mit eigenen Augen gesehen, als sie das Heft des Zeremoniendolchs in der Hand gehalten hatte.
»Nein. Und ich weiß genauso wenig, ob es Hoffnung für ihn gibt. Was ich weiß, ist, dass Vampire planen, den Prinzen zu töten und dich zu entführen. Sie suchen ein Buch, für das dein Vater sein Leben gab, um es zu schützen. Ihm lag so viel daran, dieses Buch zu schützen, dass er dich mit dem Zwang belegte, es zu finden, falls jemand anfangen sollte, in der Nähe der Höhle herumzustöbern.«
»Jemand war vor uns in der Eishöhle, und das hat den Zwang in mir ausgelöst.« So viel hatte sie sich schon selbst zusammengereimt.
»Wenn dein Vater bereit war, sein Leben zu opfern, um das Buch vor Xavier zu verbergen, gehe ich jede Wette ein, dass wir es nicht in seine Hände geraten lassen sollten.«
»Ich glaube immer noch, dass eine gewisse Chance besteht ...«
»Natalya, ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Freunde und sogar Verwandte ich jagen und töten musste. Wenn wir jemandem, der uns einmal sehr nahe war und irgendwann zum Vampir geworden ist,
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