Schatten Der Versuchung
unmerklich vom Feind zu ihrem Fels in der Brandung geworden. Lag es an den bindenden Worten, gegen die sie so stürmisch aufbegehrte? Oder daran, dass sie ständig mit seinem Bewusstsein verbunden war und seine Gedanken so gut kannte? Ihre Hand glitt in seine. »Ohne dich würde ich mich so allein fühlen.«
Sein Herz machte einen seltsamen kleinen Satz, der ihn sehr beunruhigte. Natalya war eine Kämpferin, eine Frau mit ungeheurem Mut, und Razvans Verrat brach nicht nur ihr Herz, sondem ihren Geist. Und das war das Letzte, was Vikirnoff wollte. Er hatte seine Tigerin und ihren erstaunlich frechen Mund lieb gewonnen. Er wollte sie nicht niedergeschlagen und gebrochen oder so verwundbar sehen, auch wenn sie sich um Trost an ihn wandte.
Er fasste sie am Kinn und drehte sie zu sich herum, sodass er ihren Mund finden konnte, um sie sehr lange und ausgiebig zu küssen. Als ihre Augen sich vor Verlangen verdunkelt hatten und sie mit demselben Hunger wie er reagierte, löste er sich von ihr. »Ich bin ja so froh, dass du endlich zur Vernunft gekommen bist.«
Sie blinzelte, schaute ihn argwöhnisch an und zog sich ein kleines Stück von ihm zurück. »Zur Vernunft? Inwiefern?«
»Was die rituellen bindenden Worte angeht, natürlich. Es war gut, dass ich sie gesprochen und uns aneinandergebunden habe. Bei deiner Sturheit würden wir wahrscheinlich jetzt noch umeinander herumtanzen.«
»Meine Sturheit?« Ihre grünen Augen funkelten ihn an. »Ich glaube, das Wort ist extra für dich erfunden worden.« Sie fuhr mit einer Hand durch ihr rotbraunes Haar und schob es sich aus dem Gesicht, um ihn wütend anzublitzen. »Und wenn du das Wort ›stur‹ im Lexikon nachschlägst, wirst du dort statt einer Definition ein Bild von dir finden.«
Vikirnoff fand, dass sie die schönste Frau war, die er je gesehen hatte. Er wickelte das Zeremonienmesser in ein weißes Tuch und schob es in sein Hemd, wo sie es nicht mehr sehen konnte. »Du willst also immer noch nicht zugeben, dass es das Beste war, was ich für uns tun konnte ?«
Sie rappelte sich hoch und ließ dabei diverse Waffen in die Schlingen an ihren Hosen gleiten. »Eher gefriert die Hölle, bevor ich das zugebe ! Ich glaube nicht, dass es in deinem Interesse ist, ausgerechnet dieses Thema anzuschneiden, aber trotzdem danke für deinen Versuch, mich abzulenken.« Sie warf ihm eine Kusshand zu. »So leicht beiße ich nicht auf einen Köder an.«
»Klar tust du das. Du hast geschummelt. Du hast dich in meinem Bewusstsein herumgetrieben.«
»Ich wollte wissen, was du wirklich von meinem Vorschlag hältst, das Buch dort zu lassen, wo es ist. Ich habe starke Vorbehalte, es deinem Prinzen auszuhändigen.« Sie steckte ihre Arnis-Stöcke in die Laschen an ihrem Gürtel. »Ich bin mir nicht sicher, ob es bei ihm wirklich gut aufgehoben wäre.«
»Weil Razvan plant, ihn zu töten?«
Sie zuckte zusammen, nickte aber, während sie ihr Doppelhalfter umschnallte. »Razvan macht das, was er kann, sehr gut, und ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass dein Prinz echte Chancen hat, wenn die Vampire zusammen mit Xavier und Razvan aufkreuzen.«
Vikirnoff beobachtete, wie sie zusätzliche Munition in mehreren Fächern ihrer Hose verstaute. Ihm war bewusst, dass sie sehr zufrieden mit seiner Kreation war, die praktisch ihrem Originalentwurf entsprach, aber einige Verbesserungen aufwies, sodass sie mehr Bewegungsfreiheit hatte und leichter an die Sachen herankam, die sie brauchte. »Keiner von ihnen wird Mikhail besiegen können.«
»Woher willst du das wissen? Du kennst ihn doch gar nicht. Ich habe in deinem Inneren nach Erinnerungen an ihn gesucht, aber er war noch nicht erwachsen, als du dieses Land verlassen hast. Woher kennst du seine Stärke? Warum vertraust du ihm überhaupt? Das Buch ist gefährlicher, als du ahnst, und kein karpatianischer Prinz wird es einfach zerstören oder hoffen können, seine Macht zu gebrauchen. Sobald das Buch in seinen Händen ist, werden sie alles und jeden auf ihn hetzen. Du würdest ihn zum Tod verurteilen.«
»Mikhail Dubrinsky wird nicht von denen, die seinen Tod wollen, besiegt werden. Er ist außerordentlich mächtig, Natalya.
Diese Macht ist in seinem Blut, in seinen Genen. Er kann verwundet werden, ja, aber wenn es hart auf hart kommt, kann er eine Macht freisetzen, die größer ist, als Xavier sich vorstellen kann. Mikhail wird eine Möglichkeit finden, das Buch zu zerstören, und in der Zwischenzeit wird er es beschützen.«
Sie drehte sich zu
Weitere Kostenlose Bücher