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Schatten der Wahrheit

Schatten der Wahrheit

Titel: Schatten der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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Richtung, die sich aus den Informationen des Knaben am vorigen Abend ergab. Will konnte nur hoffen, dass der junge Bursche einigermaßen die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte sich nicht wie ein Lügner benommen, aber selbst das ehrlichste Kind neigte dazu, Geschichten auszumalen, manchmal, ohne sich dessen auch nur bewusst zu sein.
    Der Lärm der abfliegenden Hubschrauber verklang und wurde vom Wu mm ern erwachender Fahrzeugmotoren ersetzt: die Truppentransporter, die Scoutwagen, der Turnier-Panzer, der Koshi des Brigadegenerals. Will wartete, bis die letzten Männer seines Trupps an Bord ihrer Shandra-Scoutfahrzeuge waren, dann stieg er ebenfalls ein.
    Der planierte Feldweg von Benderville nach Süden verwandelte sich schnell in eine von tiefen Furchen durchzogene Piste, deren sandiger Boden zu beiden Seiten mühsam von spärlichem braunem Gras befestigt wurde. Ein heißer Wind trug Sand heran, der auf der bloßen Haut brannte und sich ebenso in die Nähte und Falten von Haut und Kleidung grub, wie er in die Öffnungen von Instrumenten und Maschinen drang. Im Laufe des Tages würden die Fahrzeuge der Einsatzgruppe und die schweren Schritte des Mechs die Behinderung durch Sand und Staub noch verschlimmern. Will sehnte sich nach den heißen Duschen in Fort Barrett. Er wusste, am Abend würde er schon für die Gelegenheit dankbar sein, sich mit einem Eimer lauwarmem Wasser waschen zu können.
    »Und noch ein herrlicher Tag am Meer«, bemerkte er gegen das Donnern der Motoren zu seinem Lance Corporal. »Und nie vergessen, in der großen Stadt gibt es eine Menge Dummköpfe, die für eine solche Erfahrung gutes Geld locker machen würden.«

Februar 3134, Winter
    Ezekiel Crow wachte verängstigt auf.
    Nach dem Zwischenspiel mit Tara Campbell am vergangenen Abend war er in einem beinahe euphorischen Glücksgefühl, das zu verbergen ihm sehr schwer gefallen war, zurück in sein Quartier gegangen. Aber es hätte sich nicht gehört, wenn ein Paladin der Sphäre laut lachend durch die Flure der Besucherquartiere gegangen wäre. Dieselbe Hochstimmung hatte ihm ausgesprochen angenehme Träume beschert.
    Der nächste Morgen jedoch traf mit einer Stimmung ein, die so nahe an blankem Entsetzen war, dass er fast zitterte. Er war sich überhaupt nicht bewusst gewesen, wie vollständig seine selbst verord-nete Isolation gewesen war, bis sie bröckelte. Es war, als hätte er hinter dicken Glaswänden gelebt, die alles dämpften, was sich außerhalb abspielte. Jetzt hatte sich ein Fenster geöffnet und ließ eine Welt von Gerüchen, Klängen und Farben herein, die intensiver waren, als er es jemals für möglich gehalten hätte.
    Abgelenkt und nachdenklich bereitete er sich in der Kochnische einen Tee zu. Er stand barfuß im schwarzen Schlafanzug an der Arbeitsplatte und maß die Teeblätter sorgfältig ab. Als der Kessel pfiff, schüttete er das kochende Wasser in die Kanne und wartete brütend, während der Tee zog.
    Er war sich nicht sicher, ob er damit fertig wurde. Er besaß Ideale, Ziele, ein teuer erkauftes Wissen um all das, was nötig war. Dinge, die jene Personen, die zur Zeit die Aufgabe hatten, sie zu tun, nicht sonderlich gut erledigten, wenn überhaupt. Keiner der sorgfältig ausgearbeiteten Pläne, die er in den Jahren seit dem Ende seines ersten Lebens in den qualmenden Trümmern Chang-Ans ausgearbeitet hatte, hatte irgendetwas derartiges vorhergesehen.
    Er wusste nicht, ob es von Dauer sein würde. Er wusste auch nicht, ob er sich das wünschen sollte. Ob er es auch nur gestatten sollte. In seinem Leben gab es keinen Platz für Beziehungen. Er hatte all die Jahre hart daran gearbeitet, keine Bindung aufzubauen: weder zu Menschen noch zu Orten oder Dingen. Alles, um sich die völlige Handlungsfreiheit zu erhalten, die nur gegeben war, wenn man nichts zu verlieren hatte.
    Selbst jetzt wäre alles noch gut gewesen, wäre er sich nur nicht all dessen bewusst geworden, worauf er verzichtete.
    Er holte eine saubere Tasse aus dem Schrank. Genau wie die Teekanne wirkte sie billig und stammte aus der hiesigen Herstellung, so einfach, dass es an Hässlichkeit grenzte. Er hatte Kanne und Tassen gekauft, als er eintraf, und würde sie zurücklassen, wenn er abreiste. Keine Bindungen, keine Verletzlichkeiten.
    Er schüttete sich eine Tasse aromatischen Tees ein und trank langsam, während er nachdachte. Als er fertig war, stellte er die Tasse ab und ging hinüber zur Kommkonsole. Dort schrieb er eine Nachricht an Tara

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