Schatten der Zitadelle (German Edition)
und kann dir sagen, dass du stärker bist, als du glaubst.
Mögen die Götter über dich wachen.
In Liebe,
Thrakk“
Zu Tränen gerührt und gleichzeitig vor Überraschung zitternd, laß Broxx den Brief noch viele Male in dieser Nacht. Solange, bis er schließlich auf dem von der Wüstensonne noch immer warmen Felsen einschlief.
Thrakk glaubte an mich... Vielleicht habe ich ja doch das Zeug zum Kriegshäuptling.
***
Überall, wo Matthieu entlang lief, wirkten die Leute angespannt, überrascht oder enttäuscht. Einiges war los in Karratosch, der Stadt der Krieger, seit Thrakk angefangen hatte, die Armeen zu versammeln und noch mehr, seit der Rat zur Wahl seines Nachfolgers zusammengekommen war.
Genau die richtige Atmosphäre für einen großen Sprachkünstler wie mich!
Hier wird Geschichte geschrieben und ich werde sie festhalten. Noch in tausend Jahren wird man sich an mich erinnern!
Seinem geschärften Blick, der immer wieder neugierig zur Löwenfestung wanderte, entging nichts. Nach und nach eilten immer mehr Stadtbewohner und vor den Toren lagernde Soldaten zum großen Platz vor der Residenz des Kriegshäuptlings. Die Gerüchte verdichteten sich, dass die Entscheidung der Wahl kurz bevor stand.
Aus diesem Grund war der Barde eigentlich nach Karratosch zurückgekehrt.
Schon vor ein paar Monaten war er hier gewesen, aber dann in Richtung Zun Nadhâr weiter gezogen, um Broxx auf seiner Reise abzufangen. Doch als er gerade angekommen war, hatte er erfahren, dass die Schlacht schon geschlagen war und Broxx hinter Ishnari, dem Verräter, herjagte, der den Kriegshäuptling töten wollte.
Natürlich konnte er sich solch bedeutende Geschehnisse nicht entgehen lassen. Die Frauen würden ihn anhimmeln, wenn er erzählte, dass er selbst den Kampf zwischen diesen beiden miterlebt hatte.
Ist ja nur ein bisschen gelogen.
Plötzlich ging ein lautes Raunen durch die Orks in Matthieus Nähe. Reflexartig blickte er zur Löwenfestung.
Weißer Rauch!
"Weißer Rauch!", brüllte er und konnte es gar nicht fassen. Blitzschnell stürmte er los, ohne darauf zu achten, wer oder was ihm im Weg stand.
Tage- und wochenlang war schwarzer Rauch aus dem Schornstein gestiegen, der nach jedem Wahlgang anzeigte, dass erneut kein Nachfolger gefunden worden war.
Als der Musikant den Versammlungsplatz erreichte, konnte er die Erleichterung förmlich riechen. Um den riesigen Obelisken, den Thrakk als Mahnmal für die Opfer des Bürgerkriegs gegen die Mor'grosh hatte aufstellen lassen, tummelten sich bereits hunderte Neugierige.
Soeben schlug der Zeremonienmeister, der die Meute während den Beratungen im Zaum halten sollte, den riesigen Gong auf der Redetribüne zum Zeichen dafür, dass Ruhe einkehren sollte.
Als sich die Aufregung einigermaßen gelegt hatte, öffneten sich die Torflügel zum Balkon und die Prozession der zwölf Oberhäupter der Clans zeigte sich erstmals seit mehreren Tagen der Welt.
Sie wirkten abgekämpft von den langen Debatten, aber dennoch zeichnete sich Zufriedenheit in ihren müden Gesichtern ab.
"Wir haben einen Kriegshäuptling!", verkündete Morghur als Oberster des Rates überglücklich.
Dann trat der Nachfolger, der 44. Kriegshäuptling der vereinigten Clans der Orks, in der traditionellen weißen, mit Goldornamenten versehenen, Zierrüstung vor sein Volk.
Die Menge hielt den Atem an. Wer sich ihnen da präsentierte, hatte keine grüne Haut.
Seine schwarzen, kurz geschorenen Haare zeichneten sich vom Bild des Körpers markant ab.
Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Volkes war ein Halbblut zum Oberhaupt gewählt worden.
Matthieu kramte hastig sein Notizbuch aus seiner Umhängetasche, um jede Sekunde dieses herausragenden Moments genauestens festzuhalten.
Denn wer da auf der Tribüne stand, war Broxx.
***
Ein Raunen ging durch die versammelte Masse, ob nur vor Erstaunen oder vor Unmut, konnte Broxx nicht sagen. Es war ihm auch nicht wichtig, er hatte sich auf Widerstand eingestellt.
„Ich weiß, dass viele von euch sich fragen werden, wie der Rat nur ein Halbblut zum Kriegshäuptling ernennen konnte.
Auch ich habe mich das gefragt.
Dreißig Jahre nach dem Bürgerkrieg stehe ich nun vor euch und soll euch anführen. Nach dreißig Jahren der Abneigung und der Abschottung.
Ich selbst frage mich, ob ich dieser Herausforderung gewachsen bin.“
„Niemals!“, brüllte ein Unbekannter boshaft heraus, wurde aber sofort von allen Seiten zur Stille
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