Schatten der Zitadelle (German Edition)
deutlich wurde, und verließ die Lichtung. Sein Mahl ließ er unvollendet liegen.
Innerlich bebte Broxx. Er spürte noch immer die tiefe Verbundenheit mit der Kreatur. So lange, bis er sich wieder gefasst hatte, blieb er noch in der untergehenden Sonne stehen.
Dann machte auch er sich auf den Weg zurück. Wieder ins Dorf. Wieder zur Realität.
Im Nachhinein erschien ihm der Tag unwirklich wie ein Traum.
***
Sich wohlig streckend und dehnend wachte Broxx auf. Beinahe hätte er Lurd erwischt, der sich in diesem Moment am gegenüberliegenden Bettrand aufgesetzt hatte.
„Pass doch auf, du Klotz!“, beschwerte sich der Junge und verpasste ihm einen freundschaftlichen Schlag gegen die Schulter. „Na, was machst du heute?“
„Hmmm...“
„Nun sag schon!“
„Ich will mit Margha einen Ausflug ins Grüne machen.“
„Oho, was hast du denn vor?“
Der Mor'grosh wurde rot. „Ach, nichts, ich will nur an einen meiner Lieblingsorte.“
Ohne weitere Worte zogen sich die beiden an und gingen in die Küche, wo Dora und seine Angebetete schon das Frühstück bereitet hatten.
„Guten Morgen“, sagte er und setzte sich. „Margha, ich möchte dir nachher etwas zeigen, das mir wichtig ist. Begleitest du mich?“
„Sehr gerne!“ Die Halborkin lächelte, sodass Broxx ein Stein vom Herzen fiel.
Nachdem sie gefrühstückt hatten, verließen sie das Dorf in Richtung Nordosten.
Ein mit Kieselsteinen bestreuter Weg führte die beiden eine Hügellandschaft entlang, während die aufgehende Sonne die Wanderer mit ihren Strahlen wärmte.
Nach etwa einer halben Stunde erreichten sie ihr Ziel: eine Hügelkuppe, auf der zwei große, alte Eichen standen, deren Stämme sich um einander wandten, wie sich umarmende Liebende.
Glücklich warf sich Broxx ins feuchte Gras und Margha setzte sich neben ihn.
Die Arme hinterm Kopf verkreuzt seufzte er:
"Das ist mein Lieblingsort. Als Kind war ich mit Theta oft hier.
Das erste Mal kam ich mit Dora her, da war ich sieben. Kennst du die Legende dieses Ortes?"
Margha schüttelte den Kopf. Gebannt warteten sie darauf, dass Broxx die Geschichte erzählte.
Als dieser sich die Sage wieder ins Gedächtnis rief, fühlte er sich in einen lauen Sommertag vor einundzwanzig Jahren versetzt.
Urplötzlich stand Dora neben ihm, mit ihrem damals noch braunen, vollen Haar, das zu einem Zopf nach hinten geflochten war. Sie war eine hübsche Orkin.
Trotz der Schönheit des Tages lag eine gewisse Melancholie in der Luft. Broxx' Herz war schwer, seine Eltern waren erst vor wenigen Wochen von ihm gegangen.
Die Adoptivmutter nahm ihn in den Arm und begann zu erzählen. Wie in Trance sprach Broxx in diesem Moment genau das nach, was sie ihm vor vielen Jahren erzählt hatte:
"Im alten Königreich der Menschen, lange vor unserer Zeit, gab es zwei bis aufs Blut verfeindete Familien. Beide genossen höchstes Ansehen, Reichtum und politischen Einfluss in ihren Reihen, doch der Konflikt zwischen ihnen war seit Generationen tief verwurzelt.
Schlägertrupps der beiden Fraktionen prügelten sich täglich in den Straßen der Hauptstadt. Beide kontrollierten je eine Hälfte der Stadt.
So geschah es, dass eines Tages der Erbe einer Familie in das Gebiet der anderen vordrang, um wichtige Informationen auszuspähen.
Als er durch die Gänge der gegnerischen Residenz schlich, erblickte er eine Frau, die gerade dabei war, die Gewänder der Angestellten im Schloss zu waschen. Sie hatte wunderschönes, glatt fallendes, schwarzes Haar, grüne Augen und trug ein einfaches Leinenkleid.
Er hielt sie für eine Magd und sie weckte sein Interesse, also ging er auf sie zu und sprach sie an:
'Guten Tag, wertes Fräulein. Was plagt ihr euch mit solch schwerer Arbeit, wo ihr doch von solch außergewöhnlicher Schönheit seid?'
'Oh...', antwortete sie und beugte verlegen den Kopf.
'
Ich tue eben meine Pflicht. Aber, wenn es mir zu fragen zusteht, wer seid Ihr denn, Herr? Euch habe ich noch nie bei Hofe gesehen.'
'Es steht euch sehr wohl zu, mich das zu fragen, meine Dame. Ich bin nur ein bescheidener fahrender Händler.'
'Dafür seht Ihr die aber sehr vornehm aus, Herr.'
Er lachte. 'Achwas, findet Ihr? Ihr seht aber für eine Magd auch sehr vornehm aus. Und hört doch bitte auf, mich Herr zu nennen.'
Sie lächelte verlegen. 'Ja.'
Noch mehrere Stunden verbrachte er mit der Schönen aus dem feindlichen Lager und vergaß dabei vollkommen seinen Auftrag. Außerdem kam er von nun an jeden Tag wieder
Weitere Kostenlose Bücher