Schatten Des Dschungels
Tischtennisplatte, einen Fitnessraum, ein Freizeit-Computerzentrum sowie eine kleine Wäscherei. Inzwischen ist es halb acht, und der Duft von frischem Brot lockt uns in die kleine Messe, in der die Besatzung und ein paar andere Passagiere schon um zwei Tische herumsitzen und frühstücken. Wir schließen uns an und nach dem Essen fühle ich mich besser. Noch immer kann man meine Rippen zählen, wenn man das aus irgendeinem Grund unbedingt tun möchte.
Andy sagt während des Frühstücks kaum ein Wort, und schon bald verzieht er sich irgendwohin, mit der Entschuldigung, dass er sich noch einmal die verschlüsselten Dateien vornehmen will. Ich zucke die Achseln und schreibe erst einmal eine Mail an meine Familie, in der ich noch mal ausführlich berichte, dass ich blöderweise den Flug verpasst habe, aber auf einem anderen Weg nach Europa komme und mich bald wieder melde. In dieser Nacht liege ich in meiner Koje – der unteren, Andy hat die obere – und schreibe weiter an Falk. Erzähle ihm, was alles geschehen ist, und stelle mir vor, was er antworten würde. Das Display leuchtet in der Dunkelheit. Es ist unbequem, so zu tippen, aber gerade weil ich jetzt so viel Zeit mit Andy verbringe, brauche ich diese Briefe an Falk umso dringender. Meine einzige Möglichkeit, mit Falk zusammen zu sein, wenn auch nur in Gedanken. Ich vermisse ihn so sehr.
Am nächsten Vormittag verschwindet Andy wieder spurlos, und wir sehen uns erst um halb zwölf Uhr, zu dieser Zeit gibt es hier an Bord Mittagessen. Ich setze mich zu den anderen Passagieren und Andy, er murmelt ein Hallo. Da die meisten Besatzungsmitglieder – bis auf die Offiziere – Filipinos sind, ist das Essen auch heute mal wieder asiatisch angehaucht. Leises Stöhnen von den beiden Rentnern aus den Niederlanden. Die anderen Passagiere dagegen hauen wie üblich richtig rein. Es sind zwei junge Traveller auf dem Rückweg von einer Weltreise. Sie machen sich an Bord nützlich, weil auch sie nicht den vollen Preis bezahlt haben. Ich wette, das hat Diego gewusst.
Beide Jungs haben mich sofort adoptiert, wahrscheinlich weil ich gerade genauso ranzig aussehe wie sie. Und mir macht es Spaß, ihren Geschichten zuzuhören.
»… und auf Java wären wir beinahe in einen Volksaufstand geraten«, erzählt der Junge mit den Aknenarben – Piet – gerade. »Wir dachten echt, jetzt ist es mit uns vorbei, als die Polizei anfing, in die Menge zu ballern …«
Eigentlich würde ich gerne noch mehr hören, aber Alf unterbricht seinen Freund. »Hey, Cat, hast du eigentlich schon den Maschinenraum gesehen? Die Motoren sind so groß wie zweistöckige Häuser. Wir gehen sie gleich noch mal anschauen.«
»Ich komme mit«, sage ich sofort. Andy hat bisher schweigend mit am Tisch gesessen, ich frage ihn: »Was ist mit dir, magst du auch?«
»Nein, danke«, sagt er kurz und ich zucke die Schultern. Dann halt nicht.
Die Besatzungmitglieder gehen wieder an die Arbeit und auch Alf und Piet stehen auf. Ich will ihnen folgen, aber Andy hält mich auf. »Ich wollte dir noch etwas sagen.«
»Bin gleich so weit«, rufe ich Piet und Alf zu, dann wende ich mich Andy zu.
»Vielleicht ist es besser, wir gehen getrennte Wege, wenn wir wieder in Deutschland sind«, sagt Andy zu mir.
Im ersten Moment bin ich geschockt. Wieso denn jetzt das? Er wollte mich doch unterstützen, er ist doch überhaupt nur wegen mir und Last Hope auf dem Weg nach Europa! Na, wie es aussieht, hat er es sich anders überlegt. Wenn ich gewusst hätte, wie nachtragend er ist, hätte ich sowieso gleich auf ihn verzichtet! Beim Gedanken, ganz alleine gegen Last Hope angehen zu müssen, bricht mir zwar der Schweiß aus, doch trotzig schüttele ich die Angst wieder ab. »Okay – wenn du meinst«, erwidere ich kühl. »Getrennte Wege.«
Wir stehen uns gegenüber und blicken uns an. Andys langer Körper wirkt ein wenig linkisch, seine sonst so hellwachen, vor Neugier sprühenden Augen blicken stumpf. Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht.
»Kommst du, Cat?«, ruft Piet mir zu und zögernd folge ich ihm und seinem Freund. Vielleicht hätte ich doch noch irgendetwas sagen, irgendetwas fragen sollen … vielleicht kann ich beim Abendessen noch mal mit Andy reden. Ja, genau. Beim Abendessen treffen wir uns sowieso alle wieder.
Wir steigen hinab in den Bauch des Schiffes. Ich habe rußgeschwärzte Gestalten erwartet, die an ölverschmierten Maschinen hantieren, doch in Wirklichkeit sieht es eher aus wie in einer
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