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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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Fabrikhalle und gesteuert wird das Ganze über Computerdisplays. Einer der Bordingenieure erklärt uns, dass der gigantische Dieselmotor am Tag so viel Treibstoff verbraucht wie ein Auto in hundert Jahren.
    Doch richtig konzentrieren kann ich mich auf das alles nicht, in mir ist eine seltsame Leere. Immer wieder schweifen meine Gedanken ab, kehren zurück zu Andy und dem, was wir in der kurzen Zeit schon miteinander erlebt haben. Nachts im Quarantänezelt, seine Stimme in der Dunkelheit. Im Shoppingcenter, wir blödeln herum über Kopfhautsensoren und Internet-Kühlschränke. Verbündete am Flughafen, zusammen schaffen wir es, die Verfolger abzuschütteln.
    Plötzlich merke ich, dass er mir fehlt. Sein Verstand, der so scharf ist wie ein Florett. Sein treffsicherer Humor. Seine Hilfsbereitschaft.
    Nein. Es darf nicht so enden zwischen uns, so nicht!
    Auf einmal habe ich es eilig. »Bin gleich wieder da«, sage ich zu Alf und Piet, die sowieso gerade nicht auf mich achten, und gehe los. Ich habe keine Ahnung, wo ich Andy suchen soll, also durchkämme ich einfach systematisch das Schiff, poltere die Treppen hinauf zu den verschiedenen Decks, schaue in die Kombüse, in der der Koch gerade alle Arbeitsflächen wischt, traue mich sogar kurz auf die Brücke, auf der der Erste Offizier Wache geht. Er wirft mir einen Adlerblick zu, bevor er sich wieder dem Radarschirm zuwendet. Nichts. Kein Andy Waldschmidt. Am Bug ist ebenfalls niemand. Ein salziger Seewind weht mir ins Gesicht, auf allen Seiten erstreckt sich das Wasser bis zum Horizont. Entmutigt gehe ich zurück zum Heck, lehne mich auf dem dritten Deck gegen die Reling und beobachte die weiße Spur aufgewühlten Wassers, die der Containerfrachter hinterlässt. So langsam wird mir klar, was es bedeutet, dass Andy mich nicht mehr unterstützen will, und ich fühle mich entsetzlich allein mit meiner Last. Warum überhaupt hat Andy mir so plötzlich den Laufpass gegeben? Kann es wirklich sein, dass er sich meine Bemerkung über das lange erste Date so zu Herzen genommen hat? Auf einmal kommt mir das eigenartig vor. Es muss noch etwas anderes dahinterstecken. Doch wenn ich Andy nicht einmal finde, werde ich es kaum herausbekommen.
    Ein paar Möwen folgen dem Frachter, segeln an mir vorbei und beobachten mich mit dunklen Augen. Eine von ihnen schlägt kurz mit den Flügeln, zieht nach oben weg … und mir fällt etwas ein, das Andy einmal über sich gesagt hat. Ich bin immer am höchsten Punkt zu finden .
    Ich stoße mich von der Reling ab und sprinte die weiß gestrichenen Metalltreppen hoch, von einem Deck zum nächsten. Bis ich wieder auf der Höhe der Brücke bin, durch die Scheiben kann ich den Rücken des Wachoffiziers erkennen. Von hier aus führt eine steile, durch eine Art Metalltunnel gesicherte Leiter nach oben auf das Peildeck. Ich klettere sie hoch und krieche auf das Dach des Schiffs, das von einem Geländer eingerahmt wird. Radar- und Funkmasten ragen über mir auf wie riesige vielbeinige Insekten. Der Wind zerrt an mir, als ich mich umsehe, und ich muss die Augen zusammenkneifen, weil das Sonnenlicht auf dem blendend weißen Deck noch greller wirkt. Fast sofort sehe ich Andy, er blickt über das Meer hinaus und hört über Ohrstöpsel Musik. Vorsichtig berühre ich ihn an der Schulter. Er sieht sich um und schaltet seinen Player ab. Abwartend blickt Andy mich an, er wirkt auf der Hut.
    »Schön hier«, sage ich und es stimmt. Von hier aus kann man endlos weit über das Meer blicken und über uns wölbt sich der Himmel wie eine Schale aus blauem Glas.
    »Manchmal ist es ein bisschen heiß«, meint Andy.
    »Darf ich mich setzen?«, frage ich und er nickt. Ich lasse mich auf dem warmen Deck nieder und dann sagen wir beide eine ganze Weile nichts. Weil ich mir nicht rechtzeitig überlegt habe, wie ich beginnen soll, wandern jetzt tausend verschiedene Satzanfänge durch meinen Kopf und verwandeln sich dort in ein unentwirrbares Knäuel.
    »Ich habe dich gar nicht gefragt, warum du dich so entschieden hast«, sage ich schließlich. »Sagst du es mir?«
    Andy schaut hoch und unsere Blicke treffen sich. Noch nie sind mir seine blauen Augen so hart, so durchdringend vorgekommen. »Warum hast du damals in unserem Camp nicht bei den Behörden angerufen? Du hattest es vor.«
    »Es war ein Samstag«, gebe ich lahm zurück.
    Er schweigt, und ich weiß, dass ich in mir nach der echten Antwort suchen muss. »Irgendwie … wollte ich, dass Last Hope auffliegt … aber das, was

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