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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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ich in der fünften Klasse. Er hieß Enzo, sah richtig gut aus und konnte toll Fußball spielen. Ich habe extra angefangen, mit den Jungs zu kicken, um ihn zu beeindrucken. Hat aber nicht funktioniert. Kein Wunder. Eigentlich finde ich Fußball nämlich tödlich langweilig.«
    »Ich mag Fußball auch nicht mehr. Liegt an traumatischen Erfahrungen im Verein.« Andy verzieht das Gesicht und greift sich mit beiden Händen in die Locken. »So, jetzt verrate ich dir noch was. Eigentlich finde ich es ziemlich nervig, lange Haare zu haben. Aber meine Mutter will, dass ich sie abschneiden lasse, deswegen behalte ich sie, verstehst du?«
    »Na klar verstehe ich das«, sage ich, und wir stellen fest, dass wir wieder zusammen lachen können.
    Wir spielen das Spiel noch ein paarmal während unserer Reise mit der Columbo Dragonfly, und die beiden Traveller sind enttäuscht darüber, dass ich so wenig Zeit für sie habe.
    Doch in den Nächten kehren die Gedanken an Falk zurück, an Last Hope und die Krankheit. Das Einzige, was dagegen hilft, ist, meinen Brief an Falk weiterzuschreiben; fünfzehn Seiten lang ist er schon, wenn ich so weitermache, wird ein ganzes Buch daraus.
    Als wir in Amsterdam ankommen, haben wir das Bordleben längst satt und sind unglaublich froh, bald daheim zu sein. Wir stehen mit unseren Rucksäcken am Containerterminal und ein automatisches Transportfahrzeug gleitet lautlos an uns vorbei. Kein Mensch ist in Sicht. Ich drehe demonstrativ meine Taschen um, ein einzelner Geldschein fällt heraus.
    »Prima, das sollte für ein Taxi zum Bahnhof reichen«, freut sich Andy.
    »Dann bleibt nur noch das Problem, wie wir von dort aus weiterkommen«, meine ich. »Per Anhalter? Hm, vielleicht doch keine so gute Idee. Besser, wir bleiben noch eine Weile anonym.« Zwar ist diese Art zu reisen nicht mehr anrüchig, seit sich immer weniger Leute ein eigenes Auto leisten können. Aber jeder Autofahrer, der einen Anhalter mitnimmt, bekommt bei der Verkehrsleitzentrale Mobilitätspunkte gutgeschrieben – dafür müssten ich und Andy dem Fahrer die Nummer unserer IdentiCards geben.
    »Zum Glück nicht nötig«, sagt Andy und dreht ebenfalls seine Taschen um. Zusammengerollte, mit einem Gummiband verschnürte Euroscheine kommen zum Vorschein. »Die Dollars sind weg, aber ein paar Euro Notreserve hab ich noch.«
    »Cool«, sage ich erleichtert. »Gebe ich dir aber zurück, okay? Wenn wir wieder in München sind.«
    Andy zuckt die Schultern. »Wenn du unbedingt willst.«
    Wir marschieren zum Eingang des Hafens und lassen uns von einem der Wächter dort ein Taxi rufen. Mit ein paar Klicks findet Andy heraus, dass schon in einer halben Stunde ein Zug nach München geht. »Vielleicht kriegen wir den noch«, juchze ich, selten habe ich mich auf etwas so gefreut. In Rekordzeit sind wir am Bahnhof, und ich bewundere das riesige Fahrradparkhaus, die Grachten, das neue Leuchtdioden-Kunstwerk vor dem Eingang. Von einem öffentlichen Info-Fon aus rufe ich meine Familie an und bekomme meinen Vater an den Apparat. »Bald bin ich daheim!«, schreie ich fast in den Hörer und berichte, dass ich endlich in Europa bin. Ich habe mit einer Standpauke gerechnet, doch die bleibt aus. »Gott sei Dank, Cat«, sagt mein Vater nur, er klingt sehr müde. »Wo bist du, wann genau kommst du, sollen wir dich abholen?«
    Doch ich wage nichts Genaueres zu sagen, für den Fall, dass jemand mithört. »Gebt mir noch ein wenig Zeit«, sage ich nur – wenn ich in München bin, werde ich mit ihnen einen Treffpunkt ausmachen, um sie wiederzusehen.
    Doch als wir mit unseren Tickets in der Tasche auf den Zug warten, verschwindet meine Hochstimmung und stattdessen läuft ein eisiges Kribbeln durch meinen Körper. Auf einer Bildschirmwand laufen gerade die Nachrichten von CNN International.
    +++ 230 neue Fälle der Hautkrankheit in Deutschland und Großbritannien +++ die Behörden beider Länder haben Notmaßnahmen gestartet +++ Erreger bislang noch unbekannt +++
    Andy neben mir wird ganz still.
    Gerade zeigen sie Aufnahmen von rot entzündeter Haut, von einem Arzt, der einen Mann mit schwärzlich verfärbtem Rachen behandelt. Eine Reporterin mit Mundschutz hält dem Arzt ein Mikrofon hin, er zeigt und erklärt irgendetwas, aber es ist so laut im Bahnhofsgebäude, dass ich nichts davon verstehe.
    »Ist es das?«, fragt Andy und ich nicke. Eine andere Antwort schaffe ich nicht. Mein Mund ist so trocken, dass ich nicht mal mehr schlucken kann. Neben uns fährt der Zug

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