Schatten Des Dschungels
brummt irgendeine Antwort, ohne mich anzusehen. Ein seltsamer Typ. Ich weiß kaum etwas über ihn, obwohl wir letzten Herbst im Labor zusammengearbeitet haben. Immerhin, ich mag ihn, und inzwischen weiß ich auch, dass er Mut hat.
Meine Gedanken wandern wieder zu Falk, und ich sehne mich so stark nach ihm, dass ich nicht anders kann, als mein Pad hervorzuholen und wieder an ihn zu schreiben.
Ich weiß nicht, ob du die Leute kennst, die uns am Flughafen verfolgt haben. Hast du sie wirklich in dein Projekt aufgenommen? Sie passen nicht zu dir, sie strahlen Kälte aus.
Gerade teile ich mir ein Hotelzimmer mit einem Jungen, den ich flüchtig aus Deutschland kenne. Es ist ein ziemlich seltsames Gefühl. Du wärst wahrscheinlich eifersüchtig und würdest dich von mir zurückziehen, wenn du es wüsstest. Dich einfach nicht mehr melden, statt zu fragen, was los ist. Das habe ich nie so richtig verstanden, denn eigentlich bist du doch der Typ Mensch, der es mutig und offen anspricht, wenn etwas nicht stimmt.
Wie so oft, wenn ich an Falk denke, steigt schwarze, klebrige Trauer in mir hoch. Nein, er wäre nicht eifersüchtig, denn es ist ja sowieso vorbei zwischen uns. Meine Hände zittern so sehr, dass ich nicht weiterschreiben kann. Schließlich lege ich das Pad weg und drücke das Gesicht ins Kissen; ich möchte nicht, dass Andy etwas davon merkt, dass ich schluchze. Zum Glück tippt er noch immer sehr konzentriert und wendet sich nicht um. Erschöpft schlafe ich irgendwann auf meinem feuchten Kissen ein.
In dieser Nacht träume ich von Lindy. Wir streifen zusammen durch den Regenwald, sie geht voran und singt dabei mit ihrer tiefen, kräftigen Stimme. Doch dann bin ich kurz abgelenkt, weil ich einen Vogel mit metallisch-grünem Gefieder erspäht habe, und als ich mich das nächste Mal umblicke, ist Lindy auf einmal weg. Als wäre sie mit dem Wald verschmolzen. Erst nach einer Weile bemerke ich die zusammengekrümmte, schwarz verfärbte Gestalt auf dem Waldboden, sie wird fast vom Gebüsch verdeckt. Schreiend weiche ich zurück …
… und merke, dass eine Hand mich an der Schulter rüttelt. »Tut mir leid, dass ich dich aufwecke, aber wenn du weiter so schreist, rufen die anderen Hotelgäste die Polizei«, flüstert eine Stimme im Halbdunkel. Eine Gestalt in T-Shirt und Boxershorts. Im ersten Moment weiß ich nicht, wer es ist.
»Sorry«, sage ich und versuche, meinen rasenden Puls zu beruhigen. Andy. Es ist nur Andy. Und Lindy ist nicht tot, ganz sicher nicht. So gefährlich ist ein Hautpilz nicht, das kann nicht sein …
»Schlaf weiter, Cat, es ist drei Uhr nachts – und abgeholt werden wir erst um fünf«, sagt die Gestalt und gehorsam schließe ich die Augen.
Es ist noch dunkel, als uns Diego abholt. Er wirkt nicht wie ein Nesthäkchen, sondern wie ein Profi-Footballer. Als er aussteigt und uns begrüßt, scheint das Licht einer Straßenlaterne in seine Augen und bringt sie zum Leuchten. »Netzhautimplantat«, berichtet er stolz. »Ich sehe nachts so gut wie eine Katze. Ihr könnt sicher sein, dass uns niemand bis hierher gefolgt ist.«
Mit im Auto sitzt seine Freundin Alida, die mit ihren langen schwarzen Haaren und ihrem elfenhaften Gesicht aussieht wie einer Telenovela entsprungen. »Ich bin ja so froh, dass du nicht schon wieder an Bord musst, mi vida «, seufzt sie, als wir losfahren. » Querido, ich ertrage es einfach nicht, dass du so oft von mir getrennt bist!« Weil sie dabei die Arme um Diegos Hals wirft, schlingert das Auto kurz von einer Seite auf die andere, bis Diego es wieder unter Kontrolle bekommt. »Ja, ja, querida , keine Sorge, ich bleibe ja bei dir«, brummt er.
»Und deine Haare, es wird ja so schade sein um deine Haare!«, schluchzt Alida auf und gräbt beide Hände in Diegos dunkle Mähne. Diego achtet nicht darauf und diesmal bleibt das Auto auf der Straße.
Andy erkundigt sich, was Haare mit Schiffen zu tun haben, und Diego sagt vergnügt: »Ach, ich lasse mir vor Abfahrt immer eine Glatze scheren. Dann können meine Haare während der Reise ganz in Ruhe wachsen – an Bord gibt’s eh keinen Friseur. Wenn ich wieder daheim bin, haben sie dann genau die richtige Länge.«
Endlich sind wir da und Diego parkt an den Kaianlagen. »Von hier aus müssen wir zu Fuß weitergehen«, kündigt er an, aber Alida verschränkt die Arme und weigert sich, auszusteigen. »Ich will dieses verfluchte Schiff nicht sehen!« Diego zuckt die Schultern. »Dann nicht. Ich bin gleich zurück.«
Kaum
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