Schatten Des Dschungels
nicht zu erzählen, eigentlich geht es mich ja nichts an.«
Doch. Es geht ihn sehr wohl an. Hätte das Camp der Nivato-Leute sich näher an unserem befunden, hätten wir vielleicht versucht, den Hautpilz auch dort auszuwildern und auf diese Art die Konzernforscher zu vertreiben.
Bevor ich etwas sagen kann, redet Andy schon weiter. »Eigentlich bin ich hier, weil ich mich entschuldigen wollte.«
»Wofür denn?« Mir fällt absolut nichts ein, wofür er sich entschuldigen müsste. Vielleicht für irgendetwas, was er in Deutschland gesagt hat? Doch das ist schon so unglaublich lange her. Oder jedenfalls kommt es mir so vor.
»Nicht alle von uns … sind so wie Dr. Abraham. Die ist eine ziemlich harte Nummer. Nett war sie nicht gerade zu dir.«
»Nee. Die kommandiert euch ganz schön herum, was?«
»Das kannst du laut sagen. Oder lieber nicht, sie hat Ohren wie ein Luchs.« Ein Seufzer in der Dunkelheit. »Als Student in ihrem Team fühlt man sich oft wie ein Sklave. Einer der allerniedrigsten Kategorie. Wenn ich das vorher gewusst hätte …«
»Manchmal weiß man so was eben nicht vorher«, sage ich leise, und plötzlich wird mir klar, dass ich ihm die Wahrheit sagen muss. Das war schließlich der Grund, warum ich geflohen bin – jemand muss erfahren, was ich über Last Hope herausgefunden habe. Auch wenn es furchtbar wehtun wird, diese Geschichte zu erzählen.
Ich hole tief Luft. »Es ist kein Zufall, dass diese neue Krankheit ausgerechnet bei uns ausgebrochen ist«, beginne ich und dann erzähle ich ihm alles. Wie ich gemerkt habe, dass die anderen in der Gruppe irgendetwas vor mir verbergen. Wie sie mich langsam in ihr Projekt mit einbezogen haben. Wie wir die illegalen Holzfäller aus dem Wald gejagt haben. Wie sich Lindy infiziert hat. Wie ich geflohen bin.
»Ach du Scheiße«, sagt Andy, als ich schließlich schweige. »Das ist viel schlimmer als alles, was ich mir vorgestellt habe.«
»Was hast du dir denn vorgestellt?«
»Na ja, dass es vielleicht Streit in der Gruppe gab, du dich von Falk getrennt hast und kopflos weggelaufen bist. So was in der Art.«
»Du hast Falk von Anfang an irgendwie verdächtigt, oder?«, vermute ich, und das Herz ist mir schwer, so wie jedes Mal, wenn ich an Falk denke.
»Wenn ich irgendetwas gegen deinen Falk sage, ziehst du mir doch sowieso nur die Krallen durchs Gesicht, darauf habe ich gerade keine Lust.« Er klingt ein bisschen knurrig.
Und irgendwie stimmt es, noch immer will ich nicht, dass andere schlecht über ihn reden. Deshalb bin ich froh, als Andy jetzt das Thema wechselt. »Hast du deswegen mitgemacht? Wegen ihm?«
»Nicht nur«, wehre ich mich. Es war mehr als das, viel mehr! »Manchmal muss man sich unglaublich schwere Fragen stellen. Meine lautete: ›Wie weit würdest du gehen, um die Natur zu retten?‹«
»Und deine Antwort lautete: ›Ziemlich weit.‹«
»Ja. Aber nicht so weit wie die anderen. Ich glaube, da hat mich Falk falsch eingeschätzt. Wir haben in Deutschland ein paarmal über solche Dinge geredet …«
»Lass mich raten. Dabei hast du ihm nicht gesagt, dass er ein gefährlicher Verrückter ist, der in der Umweltschutzbewegung eigentlich nichts zu suchen hat.«
»Nein.« Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. Andy meint es nicht böse. Er ist nur einfach geschockt – so wie ich, als die Mitglieder von Last Hope mir alles gesagt haben. »Wir waren uns nur mehr oder weniger einig, dass inzwischen mehr Menschen auf der Erde leben, als sie aushält.«
»Aber du hast es eher theoretisch gemeint und er nicht.«
Der Gedanke kommt uns zur selben Zeit. »Meinst du wirklich, dass er …?«
Einen Moment lang schweigen wir beide erschrocken. Dann schüttele ich den Kopf, obwohl Andy das in der Dunkelheit gar nicht sehen kann. »Nein!«, gebe ich mir selbst die Antwort. »Er wollte diese Krankheit auf den Regenwald begrenzen.«
»Das heißt, dass er vielleicht etwas öfter in die Vorlesungen hätte gehen sollen«, ätzt Andy. »Eine Krankheit lässt sich kaum begrenzen. Wenn sie sehr ansteckend ist, breitet sie sich im schlimmsten Fall exponentiell aus, wenn man nicht sofort etwas dagegen unternimmt. Und sie bleibt auch nicht brav in Südamerika, nicht im Zeitalter des weltweiten Flugverkehrs.«
Mir fällt der Traum ein, in dem sich Ju infiziert hat, und eine Gänsehaut überzieht meine Arme. »Was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?«
»Was sollen wir tun, meinst du. Jetzt, wo ich eingeweiht bin, hänge ich genauso mit drin wie du. Also,
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