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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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werde. Ich habe einen klaren Schnitt gemacht und so muss es bleiben. Was Falk angeht, traue ich mir selbst nicht über den Weg.
    Das Handy ist schwer wie ein Stein in meiner Hand. Schließlich fällt mir ein, dass heute Samstag ist. Fast erleichtert lege ich das Gerät weg. Am Samstag ist im Gesundheitsministerium sowieso niemand, und morgen, am Sonntag, erst recht nicht. Am Montag werde ich mich dort melden, ja, genau, am Montag. Zwei Tage machen jetzt kaum noch einen Unterschied, ich bin schon so lange im Regenwald unterwegs.
    Wider Erwarten hat es mir nicht wirklich gutgetan, das aufzuschreiben, was ich Falk sagen wollte. In Gedanken bin ich wieder in unserem Camp am Mazaruni River. Wie es Lindy wohl geht, ist sie gesund … oder tot? Hat sich Falk angesteckt? Meine Fantasie dreht durch, zeigt mir, wie seine Haut sich erst rot und dann schwarz verfärbt … Nein! NEIN! Ganz bestimmt ist das nicht passiert, bloß weg mit diesen Gedanken, ich halte sie keine Sekunde länger aus. Könnte ich Sam jetzt nur bitten, dass er mir eine Geschichte erzählt. Am besten eine Legende der Inuit aus Alaska, etwas, was mit dem Regenwald rein gar nichts zu tun hat. Aber Sam wird mir nie wieder eine Geschichte erzählen.
    Ich halte den blauen Kristall in beiden Händen, sein schwaches Licht erleuchtet meine Finger. Plötzlich überfällt mich Wehmut. Es ist meine Schuld, dass Sam jetzt sozusagen tot ist. Nein, ich will seine Reste nicht als Diktier- und Übersetzungsgerät benutzen, das hat er irgendwie nicht verdient.
    Spontan krieche ich mit dem Kristall aus dem Zelt, hole mir aus dem Ausrüstungszelt einen Spaten und suche eine ganz besondere Stelle um das Camp herum. Schließlich entscheide ich mich für das Ufer eines kleinen, aber sehr malerischen Wasserfalls, der hundert Meter weiter über die Felsen strömt. Rote Blüten recken sich hier den wenigen Sonnenstrahlen entgegen. Ja, dies hier ist der richtige Ort.
    So wie überall im Regenwald gibt es auch hier fast keine Humusschicht, nach ein paar Zentimetern prallt mein Spaten von einem Wurzelgeflecht ab. Aber das reicht schon. Ich lege Sam in die Kuhle und bedecke ihn mit Erde und kleinen Steinen. Danach richte ich mich auf und suche in mir nach den richtigen Worten. »Ich danke dir für alles, Sam«, flüstere ich schließlich. »Mach’s gut.«
    Der Wasserfall ist ein so schöner Ort, dass ich mich noch einen Moment lang an sein Ufer setze. Doch schon nach kurzer Zeit schreckt eine arktisch-kühle Stimme mich auf.
    »Miss De Vries, Ihnen ist vermutlich bekannt, dass Sie noch unter Quarantäne stehen. Bitte erklären Sie mir, wieso Sie trotzdem Ihr Zelt verlassen haben.«
    Es ist Dr. Abraham; sie und die anderen Forscher sind zurückgekehrt. Im ersten Moment will ich erschrocken aufspringen, aber dann bleibe ich doch sitzen. Und spüre, dass Falk auf irgendeine Art bei mir ist, dass er mich wortlos ermuntert.
    Also sage ich freundlich: »Ja, das kann ich Ihnen erklären. Nach all der Zeit, die ich schon im Dschungel verbracht habe, halte ich diese Quarantäne für sinnlos. Bitte fordern Sie einen Hubschrauber an, der mich nach Caracas bringt.« Für alle Fälle füge ich noch hinzu: »Die Kosten tragen natürlich meine Eltern.«
    Mit schmalen Augen blickt Dr. Abraham mich an. »Solange Sie in diesem Camp sind, halten Sie sich an meine Anweisungen. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja – und Sie mich ebenfalls?«, gebe ich zurück und weiß im selben Moment, dass das zu dreist war, dass ich nahe daran bin, den Bogen zu überspannen. Noch bin ich nicht draußen aus dem Dschungel, noch bin ich auf diese Forschergruppe angewiesen.
    Doch ich habe Glück. Dr. Abraham gibt vor, nichts gehört zu haben, und wendet sich ab, um mit einem anderen Forscher zu sprechen. Uff. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie wartet absichtlich noch ein paar Tage, bevor sie den Hubschrauber ruft, einfach um mich zu bestrafen. Oder sie bestellt den Hubschrauber bald – weil sie mich möglichst schnell loswerden will.
    Andy hat den Austausch beobachtet, er grinst mir aus der Entfernung zu. Dann tut er so, als würde er sich ein Handy ans Ohr heben, und blickt mich fragend an. Ich drücke mich vor einer Antwort, lege das Handy auf den Boden und ziehe mich in mein Quarantänezelt zurück.

Gefahr in Caracas
    In dieser Nacht schabt es wieder an meinem Zelt. Diesmal wirkt Andy nervös, als er zu mir nach drinnen kriecht, und er spricht noch leiser als zuvor. »Du musst nach Deutschland zurück, so

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