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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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Aber ihr Gesicht war nur schemenhaft zu erkennen. Konnte sein, dass sie einen der Männer aus der Gruppe anschaute. Einen Unterarm streckte sie nach vorn, eventuell in die Richtung des Mannes, den sie anschaute. »Hallo!«, sagte Stachelmann, weil die Szene aussah, als hätte sie Hallo gesagt. Er drehte das Foto um und blätterte weiter. Schau auf die Randfiguren, sagte ihm eine Stimme.
    Auf dem Bild, welches das CA zeigte, davor Lehmann mit Genossen, glaubte Stachelmann, die Frau wieder zu erkennen. Aber es bedurfte einiger Phantasie. Immerhin, sie schien die gleiche Kleidung zu tragen, Jeans, einen schlabberigen dünnen Pulli, die Haare wohl zum Pferdeschwanz gebunden. Er legte die beiden Bilder nebeneinander. Gewiss, das konnte sie sein. Wieder stand sie in der Nähe eines Typen, der mit Lehmann zusammen zu sehen war. Zwei andere waren Kipper und Detmold. Aber die drehten der Frau den Rücken zu. Die Körperhaltung eines Dritten aber konnte verraten, dass er die Frau kannte. Sein Gesicht war zu ihr gewendet, mochte sein, dass er gerade etwas zu ihr sagte. Er muss gerufen haben, immerhin stand sie einige Meter entfernt von ihm. Sein Oberkörper konnte sich gerade zurückgedreht haben nach vorn, wo sie vielleicht die Polizei erwarteten. »Pass auf, geh ins Haus!« Stachelmann sagte es. Der Satz würde zur Szene passen. Er holte die Lupe, aber die verstärkte die Kontraste nur, die Frau wurde unkenntlich.
    Wer war sie?
    Dann begann Stachelmann zu fluchen. Er beschimpfte sich selbst, dass er sich schon wieder einließ auf diesen Unsinn. Geh ins Bett, morgen wartet die Habilschrift und übermorgen auch. Überhaupt jeden Tag, bis du fertig bist.
    Nachdem er die Zähne geputzt und sich gewaschen hatte, legte er sich ins Bett. Den Oberkörper ließ er unbedeckt, es war warm in dieser Nacht. Er versuchte einzuschlafen. Aber dann erschien vor seinen Augen die Frau, die er erkannt zu haben glaubte. Er könnte die Bilder kopieren und an ein paar Leute in Heidelberg schicken. Vielleicht Wolf auf diese Fährte ansetzen? Das würde ihn keine Zeit kosten. Doch, es würde ihm Konzentration rauben und damit Zeit. Warum ließ ihn dieser Schwachsinn nicht los?
    Am Morgen wachte er gerädert auf. Die Gelenke schmerzten, der Kopf auch, die Augen brannten. Er blieb liegen und versuchte sich auf den Tag zu konzentrieren. Heute musst du weitermachen mit deiner Habilschrift. Am Abend kannst du Carmen besuchen oder dich mit ihr irgendwo verabreden. Sie wird dir die Dummheiten schon ausreden. Die Bilder nimmst du nicht mit. Wenn du es tust, beschäftigst du dich doch mit der Sache, du würdest Kopien machen und sie verschicken an alle möglichen Leute.
    Er stand auf, setzte sich an den Schreibtisch und schaute sich die beiden Fotos an. Wie sollte jemand diese Frau erkennen? Und überhaupt, was brachte ihn dazu, sie in einen Zusammenhang zu stellen mit der Thingstättensache? Weil Körperhaltung und Gestik es nahe legten und Stachelmanns Phantasie es nicht ausschließen konnte, dass sie vielleicht einen kannte, der wiederum Lehmann gekannt hatte? Und bei diesem Konstrukt war vorausgesetzt, dass Lehmann von den eigenen Leuten erschossen worden war. Warum sollte diese Vermutung noch stimmen, wo doch die anderen sich in Luft aufgelöst hatten? Jetzt grast du schon vermeintliche Nebenfiguren auf Fotos ab, die mit größter Wahrscheinlichkeit gar nichts zu tun haben mit der Geschichte.
    Fragen kostet nichts. Er griff zum Telefonhörer. Nach dem fünften Klingeln wurde abgehoben.
    »Wolf, sind Sie es?«
    »Was wollen Sie denn?« Wolf klang, als hätte er eine Flasche Schnaps geleert in der Nacht.
    »War auch eine Frau unter den Leuten, die Sie verdächtigt haben?«
    »Nee, da gab es diese oder jene Freundin. Aber die sind doch damals mit jedem ins Bett gegangen.« Unausgesprochen blieb der Vorwurf: außer mit mir. »Und eine Frau, die einem Kerl eine Luger 08 ins Genick rammt und dann abdrückt, nee. Frauen vergiften, im wörtlichen und im übertragenen Sinn.«
    Wolf ekelte ihn an. »Also nichts Erhellendes über Frauen?«, fragte er bemüht freundlich.
    »Erhellendes?« Wolf lachte dreckig. »Das gab es über die doch noch nie. Die versteht keiner, ich jedenfalls nicht.«
    »Danke«, sagte Stachelmann und legte auf. Idiot, warum musst du diesen Kerl anrufen? Jetzt siehst du, was du davon hast.
    Er machte sich fertig, stieg die Treppe hinunter, um den Briefkasten zu leeren, frühstückte missmutig und blätterte dann in den Lübecker Nachrichten.

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