Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
Die beiden drehten sich auf ihren Stühlen Stachelmann zu.
»Kaffee?«, fragte Schmidt.
Stachelmann schüttelte den Kopf. Er versuchte einen Anfang zu finden. Sie werden mir nicht glauben. Die Geschichte klingt ja auch bescheuert. Das kenne ich schon. Sie haben mir zweimal nicht geglaubt, und ich hatte Recht. Nun also ein drittes Mal.
»Also, ich bin hier ins Polizeipräsidium gekommen ...«
»Polizeidirektion«, sagte Schmidt. »Für ein Präsidium sind wir nicht bedeutend genug. Im Gegensatz zu unseren Mannheimer Kollegen.« Schmidt klang beleidigt.
Stachelmann setzte noch einmal an. Er erzählte in einfachen Worten, wie er nach Ossis Tod beschlossen hatte, nach Heidelberg zu fahren. Der alten Zeiten wegen, um aus Hamburg wegzukommen. Weil er immer wieder gedacht hatte, es wäre doch interessant, Erinnerungen aufzufrischen. Weil hier viele Leute lebten, die er gekannt hatte. Viele? Na gut, einige. Über den Streit mit Anne sagte er nichts, das ging die nichts an. Und wenn er es sich genau überlegte, gingen sie seine Gründe, hierher zu kommen, auch nichts an. Er war hier. Am ersten Abend hatten zwei Männer ihn verprügelt.
»Aha«, sagte Fath.
Dann hatte er das Bildarchiv der RNZ besucht und später Frau Schmelzer, die Witwe des Fotografen. Monika Brettschneider starb, weil Stachelmann sie aufgesucht hatte. »Beschützen Sie Frau Schmelzer. Ich hatte überlegt, sie anzurufen. Aber ich wusste nicht, ob es richtig ist, eine alte Frau so zu erschrecken. Sie macht auch nicht so einen naiven Eindruck, dass sie jeden x-Beliebigen einlässt. Vielleicht könnten Sie bald einmal zu ihr fahren und ihr Polizeischutz geben.«
Die beiden Polizisten schauten ihn bewegungslos an. Einmal wechselten sie einen fragenden Blick. Dann sagte Fath: »Meinen Sie nicht, das könnte alles Zufall sein? Ein Verkehrsunfall ist leider nichts Ungewöhnliches. Genauso wenig, dass zwei Männer auf die Idee kommen, jemanden zu verprügeln. Vielleicht war das eine Kneipenwette. Oder sonst ein Schwachsinn. Wenn man Polizist ist, erlebt man die verrücktesten Dinge.«
»Also, in Hamburg stirbt ein Kriminalbeamter, Oskar Winter, unter, sagen wir mal, zweifelhaften Umständen ...«
»Gar nicht zweifelhaft«, sagte Schmidt so ruhig, wie man mit einem überdrehten Menschen spricht. »Die Kollegin sagte, Suizid. Bedauerlich, aber zweifelhaft ist es nicht. Die Kollegen haben gründlich ermittelt, warum sollte ich ihnen nicht glauben?«
Wieder kam ihm der Gedanke: »So bringt man sich nicht um. Viel zu umständlich, viel zu riskant, jedenfalls wenn man es wirklich will. Schmerzlos und schnell macht man so was, und dann mit den Mitteln, die einem gegeben sind. Also Pistole in den Mund und abdrücken. Da nimmt ein Polizist doch kein Schmerzmittel und baut darauf, dass es tödlich zusammenwirkt mit einem Insulinspray. Um Himmels willen, so würde sich ein Arzt töten oder eine Krankenschwester. Um der Methode zu vertrauen, braucht man eine medizinische Ausbildung.« Er merkte, seine Stimme war lauter geworden.
Fath und Schmidt wechselten einen langen Blick.
»Ich will Ihnen sagen, was der Hintergrund sein könnte. Ihr Kollege Winter war vor ein paar Wochen in Heidelberg, in bester Laune, wie Zeugen versichern, und hier hat er etwas erfahren über den Thingstättenmord, irgendetwas, und deswegen hat er zu Hause in alten Unterlagen gesucht, denn das, was er erfahren hat, erinnerte ihn an etwas anderes, und zwar an etwas, das in dieser Akte steckt, die Oskar Winter aufbewahrt hatte. Er hat herumtelefoniert und etwas herausgefunden. Aber die Telefonate nach Heidelberg haben auch bekannt werden lassen, dass Winter eine Spur gefunden hatte. Der oder die Thingstättenmörder, die sich all die Jahre in Sicherheit wähnten, haben es mitbekommen. So was spricht sich rum. Und dann haben der oder die Mörder beschlossen, Winter mundtot zu machen. Irgendwie haben sie dann aber bemerkt, dass mit Winters Tod die Nachforschungen nicht aufhören. Deshalb wollen die mich aus Heidelberg vertreiben. Im Notfall werden sie versuchen, auch mich zu töten, aber besser nicht, denn das würde die Polizei vielleicht auf ihre Spur bringen. Der Zusammenhang zum Thingstättenmord wäre zu offensichtlich. Und wenn Sie mich jetzt fragen, wo Winters und Monika Brettschneiders Mörder zu suchen ist, dann sage ich: in Heidelberg, in einer Klinik oder Arztpraxis. Denn mit solchen Präparaten mordet nur ein Arzt oder ein Pfleger. Und wenn Sie die Täter haben, dann haben Sie auch
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