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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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lang trug, und einen kurzen, sauber gestutzten Bart. Er bat seine Gäste, auf den großen Kissen Platz zu nehmen. Obwohl man ziemlich tief saß, fanden Emanuel und Octavien sie bequemer als sie geglaubt hatten.
    Auf einem niedrigen Tisch, der in der Höhe zu den Sitzkissen passte, bot er ihnen kandierte Früchte an. »Ich weiß, Ihr habt schon gespeist, aber etwas Süßes zum Abschluss ist sicher nicht zu verachten.«
    Emanuel war durch die fremde Umgebung und die beeindruckende Erscheinung de Monthelons ein wenig verunsichert. Er hatte mit einem ängstlichen, weltflüchtigen Greis gerechnet, dem er gut zureden musste. Immer wieder schweiften seine neugierigen Blicke ab zu den fremden Objekten und vielen Büchern.
    »Ihr seid den langen Weg aus Rom gekommen, um mich etwas zu fragen. Das müssen Fragen von großer Bedeutung sein.«
    »Wonach riecht es hier?«
    De Monthelon warf Octavien einen amüsierten Blick zu. »Nach Sandelholz. Es ist ein arabischer Duftstoff. Vieles, was Ihr hier seht, habe ich von dort mitgebracht. Den Teppich, die Kissen, aber auch jenen Magnetkompass dort und eine Erdkugel des al-Idrisi. Außerdem viele Schriften über Medizin, Botanik und Geologie.«
    »Ihr sprecht und lest das Arabische?«
    »Wie meine Muttersprache. Aber das ist es sicher nicht, was Ihr mich fragen wolltet.«
    Emanuel konnte den Blick nicht von dem silbernen Ball wenden, der inmitten einer Vorrichtung drehbar aufgehängt war. »Ihr nanntet das da Erdkugel. Wie darf ich das verstehen?«
    »Nun, es ist ein Globus. Auf ihn bin ich besonders stolz. Soviel ich weiß, besaß außer mir nur Roger von Sizilien ein ähnliches Exemplar. Ein Globus ist so etwas wie eine Landkarte, und diese hier stellt den uns bekannten Teil der Welt dar.«
    »Warum wurde sie auf einer Kugel abgebildet?«
    »Weil die Erde eine Kugel ist. Nur hier in Europa hält man sie noch für flach. Die Araber sind uns in vielen Dingen weit voraus.«
    »Sie meinen, die Erde sei rund wie ein Ball? Heidnisches Geschwätz!«
    »Mich wundert, dass Ihr, obwohl doch so gelehrt, gewisse Vorurteile nachplappert. Die Sarazenen sind Menschen wie Ihr und ich. Sie haben einen anderen Glauben, aber essen und trinken und schlafen und ziehen Kinder groß. Sie freuen sich über die gleichen Dinge wie wir. Und sie besitzen eine hohe Kultur.«
    Emanuel war bestürzt, dass ein Mann mit einer so heidnischen Auffassung in einem christlichen Kloster Asyl gefunden hatte. »Es sind gleichwohl Heiden«, wandte er ein, »und wenn sie uns überlegen sind, so doch nicht in ihrem Glauben, weil sie einem Irrglauben huldigen. Wisst Ihr nicht, dass die Sarazenen unkeusche Teufel und wüste Götzenanbeter sind?«
    Yves de Monthelon lächelte milde. »Das glaubt Ihr? Dabei seht Ihr selbst einem Sarazenen nicht unähnlich. Ich möchte wetten, die rassige Schönheit der Orientalen habt Ihr von einer arabischen Mutter geerbt.«
    Emanuel war erschüttert über die freimütige Aussage des Abtes. Man sagte einem Mönch nicht ins Gesicht, er sei schön. Das war eine unverhohlene Aufforderung zu unzüchtigen Dingen. Ein Mönch, der um seiner Schönheit willen angesehen wurde, war in seinen Augen ein Einfallstor Satans, und sich gar selbst für gut aussehend zu halten oder auf diesbezügliche Schmeicheleien zu hören, ein Sakrileg. Er selbst hatte sein dunkles Gesicht eher als abstoßend empfunden. Wer würde schon einen dieser gottlosen Heiden schön nennen?
    »Ich hatte spanische Vorfahren!«, stieß Emanuel hastig hervor.
    Monthelon schien seine Verlegenheit nicht zu bemerken, er richtete den Blick auf Octavien. »Und Ihr? Seid Ihr auch dieser angestaubten Meinung? Man sagte mir, Ihr seid ein Tempelritter und in Jerusalem gewesen. Da müsstet Ihr doch wissen, dass Europa der arabischen Kultur nichts entgegensetzen kann. Wer aus Outremer zurückkommt, kann unser Leben hier nur noch als barbarisch empfinden.«
    Octavien wurde glühend rot. »Ich – das ist ein Missverständnis, ich war noch nicht im heiligen Land. Aber mein Vater gehört dem Orden an, und ich werde ihm bald beitreten.«
    De Monthelon lächelte. »Non nobis, Domine, non nobis«, zitierte er.
    »Sed nomine tuo da gloriam«, beendete Octavien den Wahlspruch der Templer.
    »Dann ist es richtig, was wir gehört haben, Ihr wart ebenfalls Mitglied des Templerordens?«, versuchte Emanuel, sich wieder einzubringen.
    »Ich bin es noch, habe mich aber aus dem weltlichen Getriebe zurückgezogen. Aber bitte, greift doch zu, die Früchte sind

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