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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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wissen, dass wir ihn besuchen werden.«
    Octavien nickte. »Das stimmt. Wie gesagt, ich komme zu keiner Lösung.«
    »Und wenn das ganze Vermächtnis nur eine Fälschung ist?«, gab Emanuel zu bedenken.
    Octavien zuckte die Achseln. »Was hülfe es uns? Wir können es nicht riskieren, es irgendwelchen Gelehrten zur Prüfung vorzulegen. Wenn es eine Fälschung ist, dann ist sie so gut gemacht und die Sache so gut eingefädelt, dass sie ebenso gut echt sein könnte. Wer würde den Unterschied bemerken? Die Wirkung auf die Kirche wäre fatal, so oder so.«
    Emanuel nickte nachdenklich.
    »Gehen wir doch mit Verstand an die Sache heran«, fuhr Octavien fort. »Könnte Jesus solche Gebote ausgesprochen haben?«
    »Ich denke, ja. Sie entsprechen dem Bild, das wir uns vom Heiland machen, mehr als die Zehn Gebote, die aus dem Alten Testament stammen und sehr von den jüdischen Traditionen und Bräuchen beeinflusst sind. Der alte rächende Gott Jahwe schrieb sie noch mit Feuer in Steintafeln, und Moses zerbrach sie, als er sah, dass sein Volk um das Goldene Kalb tanzte. Anschließend gab es ein furchtbares Gemetzel, dem die Sündhaften zum Opfer fielen. Das alles passt nicht zu der Person von Jesus, wie sie uns das Neue Testament überliefert. Jesus war ein liebender und verzeihender Mensch.«
    »Aber Jahwes Sohn, oder?«
    Emanuel legte abwägend den Kopf zur Seite. »Gottes Sohn ja. Aber ich hege schon lange meine Zweifel, ob Gottvater mit dem jüdischen Jahwe gleichzusetzen ist. Ich sage Euch das, obwohl es Ketzerei ist. Also schweigt darüber.«
    »Gut. Gehen wir also davon aus, dass das Vermächtnis echt ist. Nun, nachdem unsere erste Aufregung sich gelegt hat, sollten wir kühlen Kopfes beratschlagen, wie wir weiter vorgehen wollen.«
    Emanuel nickte nachdenklich. »Wir sind uns einig, dass das …« Er sah sich verstohlen um und fuhr leiser fort: »Wir sollten es einfach nur ›P.‹ nennen, also dass das P. gefährlich ist. Für die Kirche, vielleicht für die Christenheit, aber vor allen Dingen für uns beide.«
    »Das sehe ich auch so.«
    »Welche Möglichkeiten bieten sich uns? Es brav abzuliefern, verbietet sich. Es zu vernichten, verbietet sich ebenfalls.«
    »Weshalb?«
    »Nun, zum einen können wir unmöglich ein Vermächtnis Jesu Christi einfach verbrennen, das wäre ein furchtbares Sakrileg. Ich gestehe, ich bin ein großer Zweifler, aber das würde nicht einmal ich fertigbringen.«
    »Hm, das verstehe ich. Und weiter?«
    »Wenn wir davon ausgehen, dass andere wissen, dass wir es gefunden haben, würde uns das auch wenig nützen.«
    »Ich sehe Euch an, Mönch, dass Ihr eine dritte Möglichkeit in Erwägung zieht.«
    Emanuel zuckte die Achseln und versagte sich ein überlegenes Lächeln. »Ja, Ihr habt recht. Wir haben zwar das P. gefunden, aber nur einen allgemein bekannten Text der Apokalypse. Wer, außer dem Juden, sollte ahnen, dass wir mehr wissen?«
    »Nämlich dass Ihr auf das Palimpsest gekommen seid und die Tinte entfernt habt«, ergänzte Octavien lächelnd. »Nein, das weiß niemand sonst.«
    »Und ein altes Pergament mit dem Apokalypsentext werde ich dem Bischof übergeben.«
    »Aber der Text ist weg.«
    »Ist er nicht. Denkt an Eure Lederdecke.«
    »Ihr könnt doch dem Bischof nicht die Lederdecke – Moment mal.«
    Octaviens Gesicht hellte sich auf. »Ihr denkt an eine Fälschung?«
    »So ist es. Und wir müssen uns dessen nicht schämen. Eine gut gemachte Fälschung, die sogenannte Konstantinische Schenkung, war Grundlage des heutigen Kirchenstaates. Sie wurde vor etwa vierhundert Jahren zu dem Zwecke fabriziert, dem Papst und seinen Nachfolgern die geistige und politische Oberherrschaft über die gesamte Westhälfte des Römischen Reiches zu garantieren. Wir werden zu unserem Juden zurückmarschieren. Im Grunde soll er lediglich den Text auf der Lederdecke auf ein sehr altes Pergament übertragen, das ist nicht einmal gegen das Gesetz.«
    »Ihr seid ein ganz abgefeimtes Schlitzohr, Mönch.«
    »Ja, wer beim Teufel sitzt, lernt das Lügen«, grinste Emanuel.

Tod eines Augustinerchorherrn
    Sinan saß auf einem umgestürzten Baumstamm und blinzelte in die Mittagssonne. Seine Laute lag im Gras. Die Hitze machte ihn durstig, und er nahm einen Schluck aus seinem Wasserschlauch. Der schmale, kurvenreiche Steig abseits der Hauptstraße führte zu einem reichen Augustinerstift. Um diese Zeit war er menschenleer. Sinan wartete. Nicht lange, und es kam eine Kutsche mit zwei Pferden vorbei. Sie trug das

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