Schatten eines Gottes (German Edition)
Junge nickte. »Er wurde von Gott auserwählt. Jesus Christus selbst hat ihn an die Hand genommen.«
»Und das glaubst du immer noch?«
Der Junge senkte den Kopf. Auf seinem Rücken verbarg er etwas.
»Was hast du da?«
Er zeigte es vor. Es war ein alter Brotkanten.
Sinan schaute sich um. »Da hinten aus der Hütte kommt Rauch. Ist das eine Taverne?«
»Es ist ein Wirtshaus, wo die Fischer hingehen.«
»Dann wollen wir das auch tun.«
Sinan erhob sich. Der Junge wich zurück, schaute ihn fragend an, wollte weglaufen.
»Bleib hier, Junge! Wie heißt du eigentlich? Hast du einen Namen?«
»Märten-Franz.«
»Komm mit, Märten-Franz. Ich lade dich ein.«
Sinan hängt seine Laute an den Sattel und band das Pferd los.
Die Augen des Jungen huschten ängstlich hin und her. Er wusste nicht, ob er diesem Mann trauen konnte. Zu oft waren sie schon verraten worden. Ein schlechter Ruf war ihnen vorausgeeilt. Wo sie durchgezogen waren, hatte man sie nicht mehr gesegnet, sondern verflucht.
Sinan lächelte ihn an. »Nun komm schon, komm! Oder hast du keinen Hunger?«
Das war eine törichte Frage. Der Märten-Franz fühlte sich viel zu elend, um nein zu sagen. Sinan führte das Pferd am Zügel und ging voran, Franz trottete in einigem Abstand hinterher.
Der Wirt hatte Bänke herausgestellt. Nachdem Sinan sein Pferd am Zaun angepflockt hatte, nahm er dort Platz und wies den Märten-Franz an, sich ebenfalls hinzusetzen. Der Wirt eilte beflissen auf ihn zu. Da war offensichtlich ein wohlhabender Gast eingetroffen. Für den verwahrlosten Jungen hatte er nur einen angewiderten Blick übrig.
»Tischt für mich und diesen Jungen hier auf, was Ihr Gutes zu bieten habt.«
Dem Wirt blieb der Mund offen stehen, doch rasch verbarg er seine Überraschung hinter einer tiefen Verbeugung. Sinan sah, wie hinter den Booten am Strand Köpfe auftauchten, ängstliche, neugierige Gesichter.
»Weshalb verstecken sie sich?«
»Sie haben Angst. Im Wald haben sie einen aufgespießten Jungen gefunden. Er war unser Anführer.«
Sinan lächelte kalt. »Seid ihr aus dem Kreuzzug weggelaufen?«
»Wir schließen schon wieder an.«
Der Wirt brachte knusprigen Schweinebraten mit Äpfeln gefüllt, dazu süßen Most und weißes Brot. Für den Bettelknaben viel zu gut, wie er befand, aber wenn’s bezahlt wurde …
Der Märten-Franz konnte nicht glauben, was da aufgetischt wurde. Er wagte nicht, das Essen anzurühren. Das konnte gar nicht wahr sein. Er schielte zu Sinan hin. Der grinste ihn an. »Willst du dir nicht vorher die Hände waschen, du Dreckspatz?«
Dem Märten-Franz gelang es tatsächlich noch, rot zu werden. »Eine Schüssel mit Wasser!«, verlangte Sinan herrisch.
»Ja, kommt sofort«, dienerte der Wirt. »Was denn noch?«, murmelte er vor sich hin, während er das Verlangte holte. »Vielleicht noch mit Veilchenaroma.«
Der Märten-Franz wusch sich die Hände und das sonnenverbrannte Gesicht. Seine blauen Augen strahlten jetzt klarer daraus hervor. »Was ist mit den anderen?«
Sinan hob die Brauen. »Die sind feige. Du warst mutig und wirst jetzt belohnt. So ist das Leben.«
»Im heiligen Jerusalem wären auch die Feigen geachtet«, murmelte Franz.
»Iss«, ermutigte ihn Sinan. »Aber iss langsam. Du wirst sonst fürchterliche Bauchschmerzen bekommen. Die anderen kommen vielleicht noch, wenn sie dich sehen und merken, dass ich dir nicht den Kopf abreiße.«
Märten-Franz kostete von dem Most. »Was ist das? Das schmeckt so süß.«
»Most aus Weintrauben.«
»So etwas habe ich noch nie getrunken.«
Er begann zu essen. Sinan bemerkte, dass sich der Junge Mühe gab, nicht zu schlingen, und er dachte darüber nach, wie dieser verhungerte Knabe zuerst an seine Freunde gedacht hatte. Er wies mit dem Kopf auf die Boote. »Wie viele seid ihr?«
Franz hustete und trank noch einen Schluck Most. »Sieben. Wir waren mal elf.«
Sinan winkte sie heran. »Kommt her!«
Einer nach dem anderen kamen sie jetzt hinter den Booten hervor. Sie pirschten sich näher, dabei hielten sie immer noch respektvollen Abstand. Aber ihre Hälse reckten sich neugierig, und ihre Augen verschlangen förmlich die Reste, die der Märten-Franz übrig gelassen hatte.
»Kommt nur, kommt! Für euch ist auch noch etwas da.«
Unschlüssig standen sie herum. Sinan wies auf die Bank am Nachbartisch, denn die Kinder rochen nicht gut. »Da, setzt euch! – Heda!«, rief er dem in der Tür stehenden Wirt zu, »auf ein Neues! Sechsmal Schweinebraten mit Äpfeln und
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