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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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wolltet Ihr auf diese Weise aus den Städten spülen, die Gesellschaft von den überzähligen Mündern befreien. Ein neuer Kreuzzugsgedanke war Nebensache. Euch ging es um die Beseitigung des minderwertigen Teils der Gesellschaft. Vier Kreuzzüge und Bürgerkriege hatten das Land ausgeblutet. Armut und Hunger griffen immer weiter um sich. Waisen gab es zuhauf. Kinder, die auf der Straße hausten, die sich verkauften, vom Betteln und Stehlen lebten, die niemals ein geregeltes Leben aufnehmen konnten, die meisten von ihnen zukünftige Tagediebe, Strauchdiebe und Gesetzlose. Das alles sollte der Kinderkreuzzug beseitigen.«
    Emanuel krampfte seine Hände ineinander, scheinbar wie im Gebet, aber es war eine Geste der Verzweiflung. »Ich wollte ihnen Hoffnung geben«, flüsterte er. »Ein goldenes Ziel und am Ende ein strahlendes Märtyrertum. Und alles geschah mit Billigung des Heiligen Vaters, des Kölner Erzbischofs und einer erlauchten Versammlung von Äbten aus ganz Europa.«
    »Schämt Euch, Bruder! All das habt Ihr den entscheidenden Leuten ins Ohr geflüstert, aber in Wahrheit ging es Euch nicht einmal um die Beseitigung der Hungerleider. Warum auch? Ihr musstet sie doch nicht ernähren. Nein! Ihr wolltet aufsteigen, Ihr wolltet nach Rom und teilhaben an der Macht des Tieres, das dort auf dem Thron sitzt. Dafür opfertet Ihr Tausende unschuldiger Seelen.«
    Emanuel fühlte, wie etwas in seinem Innern zerbrach. Wie konnte dieser Mann so tief in die geheimsten Abgründe seiner Seele blicken? »Ja, es ist wahr!«, schrie er. »Es ist wahr! Ich muss vergiftetes Blut in mir haben. Ich bin verdammt, ich bin des Teufels!« Mit einem gurgelnden Aufschrei warf sich Emanuel nieder und häufte Erde auf sein Haupt.
    »Lasst den Unsinn! Die Demutsbezeugungen, die in Euren Kreisen bei Verfehlungen üblich sind, beeindrucken mich nicht. Ihr seid ehrgeizig und geht dafür über Leichen. Glaubt Ihr, mit diesen Eigenschaften seid Ihr allein auf der Welt?«
    Emanuel spuckte Erde aus. In was für einem Kreislauf des Irrsinns befand er sich? Der Kartäuser schien alles über ihn zu wissen. Besaß er vielleicht übersinnliche Kräfte? Ihre Begegnung in Altenberg! Seitdem musste er ihn beobachtet haben. Aber weshalb? Warum hatte er ihn nach St. Marien gelockt? Um ihm diese Moralpredigt zu halten? Wohl kaum. Er hatte behauptet, kein Christ zu sein. Was war er dann? Und was waren seine Absichten?
    Emanuel stand auf, klopfte sich den Sand von der Kutte und wischte sich den Schmutz aus dem Gesicht. Seine Zerknirschtheit über den Kinderkreuzzug war nicht vorgetäuscht, er hatte unterwegs die Schlacke gesehen, die das Feuer der Begeisterung am Weg zurückgelassen hatte, und die Sache mit anderen Augen betrachtet. Aber so sehr vernebelte die Reue seinen Verstand nicht, dass er nicht auch den Vorteil seiner Bußübung erkannt hätte. Nach der Beichte kam die Vergebung, war es nicht so? Emanuel hatte das Herausschreien seines Irrtums gut getan, er war erleichtert, und er fand, es war Zeit, sich wieder wie ein guter Mönch zu verhalten, und das bedeutete, Stärke in der Demut zu finden. Hatte der Abt ihm nicht etwas zeigen wollen?
    »Bitte geht voran, Bruder. Ich will drei Schritte hinter Euch gehen, denn ich bin ein Sünder.«
    »Amen«, sagte der Abt.
    Er führte Emanuel in die Klosterkirche zu jener Falltür, die Emanuel bereits entdeckt hatte. Ein Weinkeller befand sich sicher nicht da unten. Emanuel sprang die Furcht an. Wollte der Abt ihn da unten gefangen halten? Warteten dort Folterknechte auf ihn, um ihm etwaige Geheimnisse zu entreißen? Zum Glück ging der Abt voran. Er hatte keine Kerze mitgenommen, denn hier unten herrschte ein graues Zwielicht. Von irgendwo her musste Licht einfallen.
    Als Emanuel das Gewölbe betrat, wusste er sogleich, dass er sich in einem heidnischen Tempel befand. Er bekreuzigte sich, atmete aber erleichtert auf, als keine weiteren Gefahren ihn zu bedrohen schienen.
    »Seht her!«, Nathaniel zeigte nach Osten, wo etliche Öllampen ein riesiges Wandbild beleuchteten. Emanuel erkannte einen Jüngling mit spitzer Mütze, der einen weißen Stier opferte. Er wurde von zwei Fackelträgern flankiert. Außerdem waren ihm etliche Tiere beigesellt.
    »Jener Jüngling dort auf dem Bild ist der Lichtgott Mithras, und wir befinden uns hier in seinem Tempel, einem sogenannten Mithräum.«
    Jetzt war Emanuel manches klar. »Ihr verehrt hier heimlich einen heidnischen Gott? Und das christliche Kloster ist nichts als eine

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