Schatten eines Gottes (German Edition)
warf er den Mantel mit dem roten Tatzenkreuz, der einmal weiß gewesen war, auf das Bett. »Und nun habe ich einen Bärenhunger. Isst du mit mir? Die Mönche werden gleich etwas auffahren, das haben sie mir versprochen.«
Octavien schmunzelte. »Ich leiste dir gern Gesellschaft, Onkel. Aber essen musst du allein, ich habe bereits gegessen.«
»So? Hm, macht auch nichts.«
»Aus welchem Grund hat dich der Abt hergebeten?«, fragte Octavien, kaum, dass sein Onkel sich krachend auf einem Stuhl niedergelassen hatte. Die Neugier erstickte ihn fast.
»Du bist doch auch hier.«
»Ebenfalls auf Einladung. Damals sah es wie ein Zufall aus, heute bin ich nicht mehr so sicher. Ich bin hier mit Bruder Emanuel, einem Zisterziensermönch, mit dem ich mich angefreundet habe.«
»Meinst du den Mönch aus Altenberg? Der damals den Kinderkreuzzug vorgeschlagen hat?«
»Eben den.«
Octavien verstummte, denn soeben wurde eine köstlich duftende Wildschweinpastete hereingebracht. Etienne stürzte sich sogleich darauf. »Rede ruhig weiter, Neffe«, nuschelte er mit vollem Mund.
Octavien wandte den Blick himmelwärts über Etiennes Essmanieren und rückte etwas zur Seite. »An diesem Kloster erscheint uns vieles merkwürdig. Es ist nicht nur abgelegen, die Mönche verhalten sich kaum wie Mönche und scheinen eine Menge Geheimnisse zu hüten.«
»Mehr als einen Sack voller Flöhe, schätze ich«, brummte Etienne. »Wer hier draußen haust, der hat seine Gründe. Beunruhigt dich etwas ganz Bestimmtes?«
»Emanuel und ich befürchten, dass das hier kein Höflichkeitsbesuch ist. Wir glauben, es geht um ein Pergament, das wir gefunden haben.«
»Ein Pergament? Ha, ich erinnere mich. Damals bist du losgezogen, um eine Reliquie aus dem heiligen Land zu finden, die unsere Vorfahren dort angeblich ausgegraben haben? Du hattest sie im Jakobskloster vermutet. Ihr seid also fündig geworden.«
»Ja.«
Octavien überlegte kurz. Er musste jetzt genau darauf achten, was er sagte. »Es ist ein äußerst wichtiges Dokument. Es darf auf keinen Fall in die falschen Hände geraten.«
Gelogen habe ich nicht, dachte er. Die Verunglimpfung des Papstes ist auch keine Kleinigkeit.
Etienne sah ihn durchdringend an. »Worum geht es denn da?«
»Das kann ich nicht einmal dir verraten, Onkel. Außerdem besitze ich es nicht. Emanuel hat es.«
»Wieso hat der Mönch das Ding?«
»Weil wir es gemeinsam gefunden haben.«
»Ach! Er war dabei? Das habe ich nicht gewusst. Deshalb also ist er hier. Aber warum hat er es und nicht du?«
Octavien räusperte sich. »Ich habe es ihm überlassen, weil – er konnte damit mehr anfangen als ich. Er verfügt über eine bessere Bildung, und außerdem – wollen wir es dem Papst bringen.«
»Aber es gebührt unserem Großmeister. Weißt du, dass er ziemlich ungehalten sein wird, wenn er erfährt, dass der Sohn eines Ordensritters ein wichtiges Pergament gefunden hat, das sich jetzt vielleicht der Kartäuser aneignen wird? Was steht denn so Schreckliches darin?«
»Versteh mich, Onkel, ich kann nicht darüber sprechen. Aber wenn der Großmeister und der Abt befreundet sind, ist es doch gleichgültig …«
»Du Dummkopf! Sie sind befreundet, ja. Doch wenn es um Dinge von großer Tragweite geht, dann will jeder die Trümpfe in der Hand behalten. Es geht dann nur noch um Macht.«
Etienne säbelte noch ein Stück von der Pastete herunter, steckte sie sich jedoch nicht in den Mund. Zerstreut zupfte er an seinem Bart. »Da wird eine heiße Suppe gerührt, Neffe.«
»Von wem? Von Nathaniel?«
»Ich bin nicht sicher.«
»Weißt du es nicht, oder willst du es nicht sagen?«
Etienne zupfte weiter an seinem Bart herum. Ich will dir nichts Falsches sagen. Nur soviel: Guillaume de Chartres, unser Großmeister, befindet sich in diesem Augenblick in Rom. Angeblich, um sich bei Innozenz um die Rückgabe unserer Burg Baghras in Antiochia zu bemühen. Irgendein armenischer König hat sie den Sarazenen abgenommen, und nun soll er das Gemäuer wieder an uns herausgeben.«
»Angeblich? Du meinst, dieser Grund ist vorgeschoben?«
»Nicht ganz. Er bemüht sich tatsächlich darum. Aber ich glaube, sein Aufenthalt in Rom dient noch anderen Zwecken. Er trifft sich laufend mit allen möglichen wichtigen Leuten, auch mit Juden, Sarazenen und Byzantinern.«
»Und was hat das mit dem Pergament oder mit St. Marien zu tun?«
»Sie treffen sich in Nathaniels Haus. Der Abt hat draußen vor Rom eine Villa. Da geben sich die Größen
Weitere Kostenlose Bücher