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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Tarnung?«
    »So ist es, aber nicht wir haben die Kirche über dem Mithräum errichtet, von denen es im Übrigen noch unzählige in ganz Europa gibt. Der Mithraskult hatte im Römischen Reich weite Verbreitung gefunden. Als die zur Macht gelangten Christen den Kult verfolgten, zerstörten sie seine Tempel, aber oftmals bauten sie auch ihre Kirchen darüber, um ein Zeichen zu setzen und durch den neuen Glauben die Erinnerung an Mithras auszulöschen.«
    »Und Ihr lasst ihn wiederauferstehen? Warum?«
    »Weil Mithras der Urewige ist von Beginn an und nicht euer Jesus, nicht euer Jahwe. Mithras wurde bereits verehrt, bevor Abraham und Moses lebten.«
    Emanuel wollte nichts dagegen sagen. Vielleicht stimmte es sogar.
    »Wozu sind die Löcher in der Decke da? Dienen sie der Beleuchtung?«
    »Das auch. Aber vor allem symbolisieren sie den Sternenhimmel. Unsere Vorfahren glaubten, der Himmel sei eine steinerne Decke, weil von Zeit zu Zeit Meteoriten von ihm herabfielen. Ich möchte Euch jetzt das Bild erklären: Rechts und links seht Ihr die Fackelträger Cautos und Cautopates. Cautos’ Fackel weist nach oben, das bedeutet Sonnenaufgang, Licht und Leben, die des Cautopates weist nach unten, das steht für den Sonnenuntergang, die Dunkelheit und den Tod. Der Hund, die Schlange, der Skorpion und der Rabe haben ebenfalls spirituelle Bedeutungen, deren Sinn Ihr später erfahren werdet.«
    Später? Emanuel war unbehaglich bei dieser Aussicht. Beinahe ahnte er jetzt, was der Abt vorhatte und weshalb er ihn zuvor mit seinen Sünden in den Staub gezwungen hatte. Er hatte ihn für seine Pläne weichklopfen wollen wie ungegerbtes Leder. Was würde der Abt wohl tun, wenn er sich weigerte, eine Rolle in diesen Plänen zu spielen? Emanuel verdrängte diesen Gedanken, und um den Abt wohlgesinnt zu stimmen, heuchelte er Anteilnahme. »Zu welchem Zwecke wird der Stier geopfert?«
    »Der Urstier wird geopfert zur Erneuerung der Welt. Aus seinem Blut und aus seinem Samen erneuert sich die Erde und alles Leben. Natürlich ist er lediglich ein Symbol. In früheren Zeiten wurde zu Ehren des Mithras tatsächlich ein Stier geopfert, heute begnügen wir uns mit dem Bild. Wir sind keine blutige Religion so wie das Christentum, das einen Gemarterten am Kreuz verehrt.«
    Ketzerische Reden! Aber was sollte man von einem Heiden erwarten, der sich als Christ tarnte?
    »Wir in unserer Gemeinschaft nennen uns Brüder, ganz wie die christlichen Mönche«, fuhr der Abt sanft fort. »Jeder, auch ein Leibeigener, kann ein Mithrasanhänger werden, aber zu den Weihen werden nur die Edelsten zugelassen. Deshalb bemühen wir uns, unter den Eliten des Landes Novizen zu finden, um sie auszubilden. Unsere Bruderschaft ist ständig auf der Suche nach neuen Mitgliedern, die unseren Glauben weitertragen und verbreiten. Die Besten, die alle sechs Weihegrade erreicht haben, können Meister werden. Ich selbst besitze den Siebten und werde ›Meister des Lichtes‹ genannt.«
    »Ein erhabener Titel«, bemerkte Emanuel spöttisch, »doch wozu dienen diese Weihegrade? Doch nur jenem, der von der Höhe der siebten Stufe auf die anderen herabblicken möchte.«
    »Sie sind eine Hilfe auf dem Weg ins Leben, denn der Mensch ist schwach und benötigt etwas, woran er sich halten kann. Keine Gemeinschaft kommt ohne Rituale aus. Die Welt ist aus den Fugen geraten, das werdet Ihr nicht bestreiten können. Es wird Zeit, das Christentum abzulösen und die Menschen mit neuer Zuversicht zu erfüllen und ihnen eine neue Religion zu schenken, die alte Religion des Mithras.«
    Emanuel erschrak zutiefst, und sein betroffener Blick, den er dem Abt zuwarf, sagte das ganz deutlich. Der Abt sprach von nichts Geringerem als von Aufruhr, Rebellion, gotteslästerlichem Umsturz. Er wollte das Mächtigste auf Erden stürzen, die heilige Kirche! Und er, Emanuel, sollte ihn bei diesem Wahnsinn offensichtlich unterstützen.
    »Ihr wollt also das Christentum auslöschen?«
    »Nein, wir bekämpfen es nur dort, wo es faul ist und gießen es in eine neue Form.«
    »Ihr wisst wohl, dass diese Pläne Euch auf den Scheiterhaufen bringen können?«
    »Wir haben uns abgesichert. Unsere Bruderschaft ist größer als Ihr glaubt. Ihr wäret verblüfft, ja sogar bestürzt, wenn Ihr wüsstet, wer alles zu uns gehört.«
    »Aber bestimmt nicht der Heilige Vater«, versuchte Emanuel zu scherzen.
    Abt Nathaniel lächelte. »Kommt der Teufel in den Himmel?«
    Emanuel blieb das Lachen im Halse stecken. Er kannte jetzt das

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