Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
Vom Netzwerk:
die jene schmutzigen Gedanken nicht aufkommen lassen, die in dunklen, engen Gassen gedeihen? Hat er dir nicht das verschollen geglaubte Wissen vergangener Zeiten zugänglich gemacht, das die menschliche Freiheit verkündet? Hast du daraus keine Lehren gezogen? Verharrst du immer noch im dumpfen Aberglauben, suhlst dich in unsinnigen Schuldgefühlen und lässt zu, dass sie dich zerstören?«
    Emanuel schlang sich die Arme um den Leib und schwieg. Sein Kopf sank ihm auf die Brust. In diesem Augenblick zogen ihn seine christlichen Wurzeln stärker hinab, als Mithras’ Licht ihn emporzuheben imstande war.
    Er möchte zu einem Fötus schrumpfen und in den Mutterleib zurückkriechen,
dachte Sinan verächtlich. »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«, brüllte er ihn an. »Du behauptest, der Bruderschaft beigetreten zu sein? Für deinen Abfall von Mithras würde ich dir auf der Stelle die Haut abziehen, wenn du nicht mein Bruder wärst.«
    »Ja, brüste dich nur mit deiner Grausamkeit! Nun weiß ich auch, woher sie kommt. Aus der Fäulnis deiner Begierde zum eigenen Geschlecht!«
    Sinans Zorn kippte um in ein schallendes Gelächter. »Du armer Verirrter! Wer hat dir denn das gepredigt?«
    »Gepredigt? Niemand. Ein greisenhafter Prior wollte mich anfassen, seitdem weiß ich, dass es eine abscheuliche Sünde ist.«
    »Nun ja«, räusperte sich Sinan, um nicht erneut laut aufzulachen, »wenn er so greisenhaft war, dann war es wahrhaftig eine schreckliche Sünde. Aber sieh doch nur her, schau auf diese Statue, auf das Lächeln dieses Jünglings. Sie stammt von einem Bildhauer aus Ravenna, der sie nach alten Vorlagen schuf. Sieh, was die Kunst unserer Vorfahren geschaffen hat. Es ist das edle Abbild eines Menschen, so wie er sein sollte. Seine äußere Vollkommenheit drückt ebenso seine innere Charakterstärke aus. Sein Lächeln ist mild und weise zugleich. Betrachte sein Antlitz. Können in diesem Jüngling Schuldgefühle Platz haben, die ihm alte Männer eingeredet haben? Unmöglich, nicht wahr? Werde wie dieser Jüngling, Sarmad. Seine äußere Schönheit besitzt du bereits. Lasse nun auch die Kraft seiner lichten Gedanken, seine geistige Freiheit in deine Seele.«
    Emanuel sah den hübschen Jüngling an. Tatsächlich ging von ihm etwas aus, das ihn beunruhigte. Ein Zucken lief um seine Mundwinkel. Er richtete seinen gequälten Blick auf Sinan, dann wieder auf den Jüngling und dann wieder zu Boden.
    Jetzt ringt er mit seinen Teufeln,
dachte Sinan.
Mit jenen Teufeln, die ihm seinen scharfen Verstand aussaugen. Er sehnt sich nach dem Licht, aber noch hängen sie mit Zähnen und Klauen an ihm, um ihn in die Dunkelheit hinabzuzerren.
    »Es ist nicht so sehr das, was zwischen uns vorgefallen ist«, begann Emanuel mit leiser Stimme zu sprechen. »Wäre es im Hinterzimmer eines Freudenhauses passiert, ich hätte es beichten können. Aber es war – es war anders. Die Begleitumstände sind so beschämend, dass ich nicht darüber sprechen kann. Octavien wurde Zeuge meiner Erniedrigung.«
    »Das Weib war jedoch keineswegs niedergeschlagen oder bedrückt, vermute ich? Sie war über denselben Vorfall, der dich so mitnimmt, nicht beschämt.«
    »Nein. Sie muss eine Hexe sein.«
    »Aber Hexen gibt es nicht, Sarmad, das weißt du doch.«
    »Was verleiht ihr dann die Kraft, ohne Furcht an einem geweihten Ort einen Diener der Kirche zur Unzucht zu verleiten?«
    »Wahrscheinlich hat dieser geweihte Ort für sie keine Bedeutung.«
    »Aber dann ist sie eine Ungläubige, eine Ketzerin, wenn sie schon keine Hexe ist.«
    »Ungläubige und Ketzer gibt es nur im Christentum. Du hast dich davon losgesagt.«
    »Aber sie …«
    »Schweig! Du ermüdest mich. Diese Frau hat in dir einen schönen Mann gesehen, und ihre Sinnlichkeit ist erwacht. Darin erblickt sie nichts Schlechtes. Nur du siehst überall Schmutz. Da du ein kräftiger Mann bist, wird sie dich nicht überwältigt haben. Sie hat dich verführt, und du hast dich hingegeben.«
    »Ja«, erwiderte Emanuel erstickt.
    »Dann erinnere dich daran wie an ein schönes Erlebnis. Genieße es, wie sie es genossen hat. Ohne Reue, als hättest du nur einen Zuckerkringel verspeist, denn das Geschehen hat vor Gott nicht die geringste Bedeutung. Willst du, dass ein minderwertiges Weib ohne Bildung von deinem Innern Besitz ergreift? Lässt dein Stolz das zu?«
    »Stolz ist eine Sünde«, murmelte Emanuel, aber er richtete sich auf und atmete freier durch.
    »Nicht bei Mithras. Bei uns darf jeder stolz auf

Weitere Kostenlose Bücher