Schatten eines Gottes (German Edition)
zu unterhalten. Sinan vermied es, unangenehme Themen zu berühren, er beherrschte den leichten Plauderton. »Ich hoffe, Ihr habt Eure Frau Mutter bei guter Gesundheit angetroffen?«
»Meine Mutter? Oh – ja, danke, es geht ihr gut, Gott sei Dank.«
Sinan lächelte unmerklich. »Ihr seid ziemlich rasch zurückgekehrt. Und Aachen ist recht weit. Ihr habt wohl einen schnellen Ritt hinter Euch?«
Octavien hätte nun weiter fabulieren können, doch er fand es lächerlich, weiter zu lügen, wenn er doch nichts zu verbergen hatte. »Der wahre Grund meiner Reise …« Er zwinkerte Sinan zu: »… war gar nicht meine Mutter. Es war eine Frau, die ich in Mainz zurückgelassen hatte. Aber Emanuel hätte dafür wenig Verständnis gehabt, daher meine kleine Notlüge.«
Sinan lachte. »Das kann ich verstehen. Bisher war Sarmad schließlich nichts als ein vertrockneter Mönch, der nur sein Brevier kannte und die Zeit nach den Schlägen der Klosterglocke einteilte.«
Octavien fiel in das Lachen ein. »Ja. Er hält Frauen allesamt für Luzifers Töchter. Das hat das Klosterleben aus ihm gemacht. Ich hoffe, die Bruderschaft ist hier konzilianter.«
»Und die Dame, die Ihr in Mainz getroffen habt, seid Ihr mit ihr verlobt?«, überging Sinan die Bemerkung.
»Aber nein!« Vor Sinan kehrte Octavien den Mann von Welt heraus. »Sie ist nicht von Stand, nur eine Straßenhändlerin, aber sehr hübsch.«
»Ich verstehe. Sie hat Euch einige schöne Nächte bereitet.«
»Hm, wenn es nur so wäre. Aber sie war fort. Sie hatte ihren Stand an der Stadtmauer. Immer war sie da und verkaufte nützliche Dinge, wie sie sagte.« Octavien grinste. »Im Grunde alles wertloses Zeug, aber sie verstand es, den Leuten zu schmeicheln und ihnen etwas aufzuschwatzen.«
»Ihr sprecht doch nicht gar von dieser Rothaarigen mit den Strohpuppen im Angebot?«
Octavien kniff die Augen misstrauisch zusammen. »Ihr kennt sie?«
»Ich hatte kurz das Vergnügen, allerdings …«
»Das Vergnügen?«, unterbrach Octavien ihn eisig. »Was meint Ihr damit?«
Sinan stutzte kurz, dann lachte er. »Nicht was Ihr denkt. Sie hat mir Apfelwein über den Kopf gegossen.«
»So!« Octavien war keineswegs besänftigt. »Und warum? Habt Ihr ihr einen unsittlichen Antrag gemacht?«
»Ich?« Sinan lehnte sich zurück und lächelte spöttisch. »Ihr seid ja eifersüchtig, aber ich kann Euch beruhigen. Ich mache mir nichts aus Frauen.«
»Aha.«
Octavien benötigte einige Sekunden, um die Botschaft zu begreifen. Dann hob er missbilligend die Brauen. »Ihr – Ihr wollt doch nicht sagen, dass Ihr – versteht mich recht, ich will Euch nicht beleidigen, aber …«
»Aber was? Stottert doch nicht herum wie ein Knecht vor seinem Herrn, das passt nicht zu Euch. Ja, ich schlafe mit Männern.«
»Dann seid Ihr ein Jünger Sodoms!«, stieß Octavien entsetzt hervor.
Sinan zuckte die Achseln. »So nennen es die Christen.«
»Das ist …« Octavien blieben die Worte weg.
»Abscheulich?«
»Ich weiß nicht, ich denke, es ist – sündhaft. Darauf steht der Tod.«
»Ja, ich weiß. Es spricht nicht gerade für das Christentum, dass es so harmlose Freuden für sündhaft hält.«
»Harmlos?«
»Nun, sicherlich harmloser als jene Vorstellung, die Eure hübsche Händlerin vom Tore in der Kirche St. Stephan geboten hat.«
Octavien wurde blass. »Davon wisst Ihr?«
»Beim heiligen Stierhaupte! Das hatte sich herumgesprochen. Sie hat am Altar einen Mönch verführt, hieß es. Dazu gehört einige Chuzpe, nicht wahr?«
»Ähm, ja. Wisst Ihr auch, wer dieser Mönch war?«
»Nein, ich verkehre gewöhnlich nicht in diesen Kreisen.«
Sinan verstummte und riss dann die Augen auf. »Templer! Ihr wollt doch nicht sagen …«
Octavien hob beide Hände. »Ich habe gar nichts gesagt.«
»War es mein Bruder?«
Octavien zuckte die Schultern. »Weiß ich nicht.«
Sinan lachte schallend. »Es war also Sarmad. Der arme Tropf! Musste auf die Keuschheit schwören und beißt doch gleich in die erste Möhre, die ihm hingehalten wird.«
»Bitte verschweigt ihm, dass Ihr es wisst. Es ist ihm furchtbar peinlich.«
»Wollen sehen«, erwiderte Sinan, während er seine Fingerspitzen betrachtete. »Und wegen dieser Dirne seid Ihr nach Mainz gegangen?«
»Verratet mir lieber die Geschichte mit dem Apfelwein«, entgegnete Octavien ärgerlich.
»Ich traf sie zufällig in einem Gasthaus, sie saß dort ganz allein, was natürlich unschicklich ist, deshalb leistete ich ihr ritterlich
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