Schatten eines Gottes (German Edition)
dieser Mann das so eifrig von ihm gehütete Geheimnis?
»Weshalb sollte ich das tun, und wer bist du?«
»Ich bin Michael, ein Freund von Sinan.«
»Sinan? Ja, ich kenne ihn. Ein harter Mann, aber er kann denken. Er hat ein Attentat auf den Papst verübt und ist gescheitert. Was hast du mit ihm zu tun?«
»Ich sagte es schon, ich bin ein Freund, ein Mitglied der Bewegung. Ich war es, der ihm half, aus dem Lateran zu entfliehen.«
»Was für eine Bewegung?«
»Ein Zusammenschluss von Menschen, die eine bessere Welt wollen, Bernardo. Eine Bewegung, die das braucht, was du hier versteckt hast.«
Bernardo ließ sich seine Bestürzung nicht anmerken. »Woher weißt du davon?«
»Ich beobachte dich, seit du in Rom bist. Und ich wusste, eines Tages würdest du mich zu dem Vermächtnis des Herrn führen, zu dem Ort, den du so mutig vor den Schergen des Papstes verschwiegen hast.«
Bernardo sagte nichts. Nach einer Weile nickte er. »Ich kenne den Abt. Ich bin ihm schon einmal begegnet, damals in Altenberg. Er machte einen gelehrten und gottesfürchtigen Eindruck auf mich. Aber weshalb sollte ich dir glauben?«
»Weil du weißt, dass Gott deine Schritte lenkt.«
»Und woher weiß ich, dass du Sein Werkzeug bist und mir nicht vom Teufel geschickt wurdest?«
»Weil es keinen Teufel gibt. Der Einzige, den ich kenne, sitzt in Rom auf dem Heiligen Stuhl.«
Da lächelte Bernardo. »Du kennst das Versteck?«
»Nein. Aber ich vermute, dass es sich hier irgendwo befindet. Weshalb sonst solltest du deinen Weg hier unterbrochen und diesen steilen, dunklen Weg gewählt haben? Sorge dich nicht, ich will dir das Pergament nicht stehlen. Ich will, dass es an den Ort seiner Bestimmung gelangt. Wenn du in Koblenz beim Bischofsamt nachfragst, wird man dir den Weg sagen. Er ist beschwerlich, denn St. Marien liegt einsam inmitten dichter Wälder, aber ich bin zuversichtlich, dass du es schaffen wirst. Der Herr wird dich auf deinen Wegen behüten.«
Bernardo nickte. »Jetzt weiß ich, dass ich noch eine Bestimmung habe. Die Wege des Herrn liegen klar vor mir.«
Michael reichte ihm einen kleinen ledernen Sack. »Hier ist Geld. Nimm es! Du wirst es auf deiner langen Reise benötigen. Es sind kleine Münzen, damit es nicht auffällt, aber genug. Und nun geh mit Gott.«
Bevor Bernardo noch etwas einwenden konnte, war Michael verschwunden.
Rom – Das Scheitern
Sechs Männer, die vor zwei Jahren in Antiochia einen Schwur getan hatten und die nun vor dem Scherbenhaufen ihrer Bemühungen standen, hatten sich erneut zusammengefunden. Um zu reden. Darüber, was zu diesem Scheitern geführt hatte und was man hätte besser machen können. Vielleicht auch, um die Scherben wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen.
In Antiochia war Abu Zakariya al Mansur der Gastgeber gewesen, diesmal hatte Nathaniel in seine römische Villa Phöbus geladen. Erschienen waren neben Zakariya der Tempelritter Yves de Monthelon, sein Großmeister Guillaume de Chartres, der Baumeister Agathos von Soloi und Heinrich von Kronberg, der Abt aus Fulda. Alles war unter größter Geheimhaltung geschehen.
»Ich denke, uns alle eint die Erkenntnis«, sagte de Chartres, »dass überall auf der Welt, wo der Schleier von Unwissenheit und Aberglauben die Menschen niederdrückt und quält, dieser fortgerissen werden muss. Zwischen den Religionen muss Frieden herrschen. Wenn Männer wie Innozenz und de Montfort und wie die Schlächter alle heißen, weiterhin das Sagen haben, wird das christliche Abendland dunklen Zeiten entgegensehen. Wenn wir nicht von den anderen Kulturen lernen, sind wir zum Untergang verdammt.«
»Ja, es ist ein großes Unglück, dass wir unsere Ziele nicht erreicht haben«, sagte Zakariya, »nun verspritzt die Kröte auf dem Stuhle Petri ihr Gift ärger denn je.«
»Worauf genau willst du hinaus?«, fragte Yves. »Auf das Konzil oder auf diesen verbrecherischen Kreuzzug gegen Konstantinopel?«
»Auf beides natürlich. Alles trägt seine Handschrift.«
»Das stimmt nicht ganz«, wandte Heinrich von Kronberg ein, »der Kreuzzug war so nicht von Innozenz gewollt, er hat das Massaker gegen die orthodoxen Christen streng verurteilt.«
»Aber er ist dafür verantwortlich«, behauptete de Chartres, »er hat zu diesem Kreuzzug aufgerufen, und wenn er eskaliert ist, dann kann er sich nicht herausreden, genauso wenig wie bei dem Massaker gegen die Katharer, wo Ketzer und Christen ohne Unterschied abgeschlachtet wurden.«
»Zumal sich Innozenz niemals für
Weitere Kostenlose Bücher