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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Octavien sicher weniger als Emanuel, aber auch ihn erwartete mit der unstandesgemäßen Frau an seiner Seite daheim nicht eitel Sonnenschein. Und die großartigen Abenteuer, nach denen er sich sehnte, waren auch erst einmal vorbei. Vielmehr würden die lästigen Pflichten eines Gutsherrn ihn beschäftigen. Am Schluss umarmten sie sich. Die Umarmung dauerte länger als bei solchen Anlässen üblich. Sie hatten einander schätzen gelernt, Freundschaft geschlossen und sich herrlich über Gott und die Welt streiten können. Jeder empfand die Abwesenheit des anderen als großen Verlust, deshalb versicherten sie einander, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Von häufigen Besuchen war die Rede und von Briefen, von dem Nichtnachlassen in ihren Bemühungen, die Bewegung am Leben zu erhalten. Dinge, die einem beim Abschied so einfallen.
    Während Octavien weiter nach Norden der Rheinstraße folgte, hielten sich die Mönche und Emanuel in westlicher Richtung und drangen ein in die schöne, wilde Landschaft der Eifel.
Wenn ich mir den Weg auch einprägte,
dachte Emanuel,
so könnte ich ihn doch nie und nimmer allein bewältigen.
Denn so menschenleer die bewaldeten Hügel ringsum auch schienen, raubgieriges Gesindel gab es überall, und wenn er sich auch krampfhaft weigerte, an Dämonen und andere schaurige Wesen zu glauben, wusste er doch, dass ihn nachts allein in der Dunkelheit, umgeben von unheimlichen Geräuschen, diese Standhaftigkeit verlassen würde. Er seufzte. Die nächste Zeit würde er wohl in Neubabylon verbringen müssen.

Bernardos Flucht aus Rom
    Bernardo hockte in seiner mehrfach geflickten Kutte auf einem Häufchen Stroh, hielt die Hände gefaltet im Schoß und dankte Gott dafür, dass er seine große Schuld in dieser dunklen, feuchten Zelle abbüßen durfte. Er war davon überzeugt, dass Gott ihm verziehen hatte. Ja mehr noch, er hatte ihm die ganz besondere Gnade erwiesen, die Worte seines Sohnes Jesus Christus dem Volk verkündigen zu dürfen. Das war ein unverdientes Geschenk gewesen, nun musste er die unvermeidliche Buße ertragen, ohne die keine Vergebung zu erlangen war. Er hatte auf alle Fragen, die die Büttel des Papstes ihm gestellt hatten, wahrheitsgemäß geantwortet, nur das Versteck des Pergaments hatte er ihnen nicht verraten, denn es durfte nicht von den Händen des Papstes besudelt werden. Ein Mann, der einen Gesandten Gottes in den Kerker werfen ließ, der nicht zögern würde, den Herrn selbst erneut ans Kreuz zu nageln, weil er ihm unbequem war, der war schlimmer als Pontius Pilatus, der – immerhin ein unwissender Heide – seine Hände dennoch in Unschuld gewaschen hatte.
    Man hatte ihm die Folter angedroht, um ihm die Zunge zu lockern, doch Bernardo sehnte sich nach dem Martyrium, denn danach würde er Gottes Herrlichkeit schauen. Es hatte sich aber niemand dazu bereitgefunden, ihm die Stufen zur Himmelsleiter ins Fleisch zu brennen. So saß er Stunde um Stunde und wartete darauf, was die Fügung Gottes ihm bestimmt hatte.
    Als drei wenig vertrauenerweckende Männer in seine Zelle traten, die ihn finster musterten, war er bereit, Folter oder Tod zu erleiden. Er richtete sich auf und lächelte sie an.
    »Danke, dass ihr gekommen seid, Brüder.« Er hielt ihnen die Hände hin in der Annahme, sie wollten ihn fesseln.
    Die Drei sahen sich verunsichert an, aber niemand machte eine unflätige Bemerkung, packte den Gefangenen brutal am Arm oder stieß ihn gar vorwärts. Einer trat vor.
    »Zieh deine Kutte aus, Mönch!«, brummte er.
    »Wie du wünschst«, erwiderte Bernardo. »Auch unser Herr Jesus hing nackt und bloß am Kreuze.«
    »Unser Herr Jesus?«, bemerkte einer der Drei spöttisch, »bist du es nicht selber?«
    Sofort versetzte ihm sein Nachbar einen Stoß in die Seite. »Halt’s Maul, Paolo, sonst stopf ich’s dir!«
    Bernardo streifte sich die Kutte ab, die vor Schmutz starrte. Sein Leib war von der kargen Nahrung und den langen Entbehrungen auf dem Kreuzzug ausgezehrt, aber er zeugte immer noch von der jugendlichen Kraft, die ihm dereinst innegewohnt hatte. Dort, wo die Sonne sie nicht verbrannt hatte, war seine Haut hell, und im rötlich-gelben Schein der Fackeln glänzte sie wie Gold. Jedenfalls erzählten die drei Männer das später in den Wirtshäusern. Der ihn zuerst angesprochen hatte, reichte ihm jetzt ein Bündel.
    »Zieh das an! Befehl vom Heiligen Vater.«
    Bernardo faltete es auseinander, es war ein buntes Narrengewand mit daran befestigten Schellen, die jetzt

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