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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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schlimmes Vergehen. Bekennt Ihr Euch dazu?«
    Bernardo antwortete ihm mit gelassenem Blick. »Wenn die Wahrheit Ketzerei ist, dann ja.«
    Was für eine Ruhe geht aus von diesem Mann,
wunderte sich der Prior,
was für eine Kraft liegt allein in seinen Blicken.
Nein, dieser Mann war kein gewöhnlicher Spaßvogel, ein Betrüger vielleicht, aber dann ein sehr gerissener, doch das würde er herausfinden. »Und obwohl der Ketzerei verdächtigt, ließ man Euch frei?«
    »Sagen wir, ich hatte gute Freunde, die sich den Himmel verdienen wollten.«
    »Und wer hat Euch nach St. Marien geschickt? Aber sagt bitte nicht Gott. Ich weiß, dass er alles leitet und befiehlt, aber in diesem Fall würde ich doch gern einen irdischen Namen hören.«
    »Er nannte sich Michael und behauptete, er sei ein Freund von Sinan. Sinan ist ein Sarazene, aber kein Muslim, soviel ich weiß. Ich glaube, er ist – nun – ein Ungläubiger im wahrsten Sinne des Wortes.« Bernardo lächelte nachsichtig.
    Jetzt hatte Bernardo des Priors ganze Aufmerksamkeit. »Ihr kennt Sinan? Woher?«
    »Ich begegnete ihm in Lucca, wo ich predigte. Er war in Begleitung eines jungen Tempelritters. Nein, er war wohl noch kein Ritter, aber wegen seiner stattlichen Erscheinung hätte jedermann ihn dafür gehalten. Octavien de Saint-Amand war sein Name. Außerdem durfte ich meinen Mitbruder Emanuel wiedersehen, der uns in Köln sehr unterstützt hat. Er ist Sinans Bruder.«
    Der Prior horchte auf. Dann nickte er bedächtig. »Ihr mögt die Wahrheit sagen, aber Ihr habt mir noch nicht alles erzählt.«
    »Über meine Mission darf ich nur mit dem Abt sprechen.«
    »Nun, er ist nicht da, aber Bruder Emanuel. Seid Ihr bereit, ihm gegenüberzutreten? Er könnte Eure Aussage bestätigen.«
    Ein freudiges Leuchten glitt über Bernardos Züge. »Er ist hier? Aber wieso –?«
    »Ihr seid überrascht?«
    »Ich glaubte, er sei zurückgekehrt in sein Mutterkloster in Altenberg.«
    Der Prior lächelte anzüglich und erwiderte zu Bernardos Erstaunen: »Nach Altenberg? Dorthin wird er ganz bestimmt nicht mehr gehen. Aber danach könnt Ihr ihn ja selbst fragen. Ich sage ihm Bescheid, dass Ihr hier seid. Bis dahin habt Ihr sicher gegen ein Bad und eine herzhafte Mahlzeit nichts einzuwenden?«
    »Gegen ein Bad? Hier gibt es ein Bad?«, stieß Bernardo höchst verblüfft hervor.
    »Warum nicht?«, lächelte der Prior. »Sauberkeit verstößt nicht gegen Gottes Gebot. Nicht einmal bei den Franziskanern, nehme ich an?«
    Bernardo lachte, und den Prior durchpulste eine jähe Wärme. Gütige Augen, ein bezwingender Blick und ein herzliches Lachen. Solche Männer liebte Innozenz nicht. Dieser Mann musste wahrhaftig ein Ketzer sein.
    Der Prior glaubte, Emanuel befinde sich in der ›Stadt‹, wie sie unter sich Neubabylon nannten. Doch es stellte sich heraus, dass er sich zufällig im Kloster aufhielt, wo er dem nach ihm ausgeschickten Bruder über den Weg lief.
    »Für dich ist Besuch gekommen, Emanuel.«
    Emanuel strahlte. »Octavien?«, stieß er hervor.
    »Nein, nein, nicht der Templer. Ein Fremder, der behauptet, dich zu kennen.«
    »Aha«, brummte Emanuel und überlegte, welcher Fremde wusste, dass er in St. Marien war. Womöglich ein Bote Nathaniels? Aber diesen hätte man sofort zu ihm geführt. Neugierig folgte er dem Bruder in das Zimmer des Priors. Dort stand ein junger, gut aussehender Mann, das lange dunkelbraune Haar im Nacken gebunden, bekleidet mit einem einfachen gegürteten Rock, engen Beinkleidern und robusten Stiefeln. Neben ihm auf der Bank lag ein Gewand aus bunten Flicken mit Schellen daran, wie es die Gaukler auf Jahrmärkten trugen. Bei Sinan hätte er diese Verkleidung vermutet, aber diesen Mann kannte er nicht.
    Ihre Blicke trafen sich. Der Fremde lächelte, Emanuel verhielt sich zurückhaltend. Aber dieses Lächeln berührte ihn, die Tiefe dieser dunklen Augen – eine vage Ahnung beschlich ihn, aber das konnte natürlich nicht sein.
    »Du erkennst mich nicht, Emanuel?«
    »Du erinnerst mich an …«
    »Er nennt sich Bernardo und behauptet, ein Mönch zu sein«, mischte sich der Prior jetzt ein. »Kannst du das bestätigen?«
    Emanuel entfuhr ein leiser Aufschrei. »Bruder Bernardo! Aber das ist doch – es ist unmöglich. Du bist –? Beim Barmherzigen, ja! Du bist es wirklich! Der Herr sei gelobt! Du lebst!«
    »Um ihn zu preisen. Amen.«
    Emanuel lief auf ihn zu, umarmte ihn und klopfte ihm herzlich auf den Rücken. »Nein, ich hätte dich nicht wiedererkannt.

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