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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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goldene Jerusalem!«, stieß er hervor.
    »Nein«, entgegnete Emanuel fröhlich, »Neubabylon. Das Abbild einer perfekten Stadt, wie sie bald an vielen Orten stehen könnte, wenn – nun ja, wenn wir nicht gescheitert wären.«
    Womit gescheitert?,
fragte sich Bernardo, aber er wollte diesen köstlichen Augenblick nicht durch Fragen zerstören. Jetzt wusste er, weshalb er das Pergament hierher bringen sollte. Er befand sich am richtigen Ort. Die perfekte Stadt und eine perfekte Gesetzgebung, niedergelegt vom Herrn persönlich. Ein heiliger Schauer durchlief seinen Körper.
    »Ich sehe, sie gefällt dir«, unterbrach ihn Emanuel in seiner Versenkung. »Dann lass uns weitergehen. Ich habe dort unten ein Haus zu meiner Verfügung. Das wird dir auch gefallen.«
    Wenig später saß Bernardo auf der weiträumigen Terrasse des Atriumhauses und glaubte, im Paradies zu sein.
    »Emanuel! Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so etwas gibt.«
    »Du musst dir erst einmal unsere Bibliothek anschauen, da wirst du Augen machen. Aber das hat noch Zeit.«
    »Wie hast du diesen wunderbaren Flecken gefunden?«
    »Durch den Abt Nathaniel. Sein kleines, ärmliches Kloster ist nur eine Tarnung. Du kannst dir denken, dass niemand von Neubabylon wissen darf, der nicht eingeweiht ist und kein Mitglied der Bewegung. Und ich hoffe, du wirst dieser Bewegung ebenfalls beitreten, so wie ich es getan habe.«
    »Die Bewegung? Michael sprach von ihr. Worum geht es da? Um Ketzerei?«
    Emanuel lächelte. »Ketzerei? Das Wort gibt es bei uns nicht. Es ist ein Begriff, dessen sich das Tier im Lateran bedient.«
    »Dann betrachtet die Bewegung den Papst als ihren Feind?« Bernardo schlug rasch ein Kreuz. »Danke, o Herr, dass du alles so wunderbar gefügt hast.«
    Emanuel schritt voran. »Komm, ich zeige dir das Bad.«
    »Haben deine Diener denn schon alles vorbereitet?«
    »Das ist nicht nötig. Du wirst schon sehen.«
    Der rundum geflieste Baderaum überraschte Bernardo ein weiteres Mal. Nahmen die Herrlichkeiten denn kein Ende? Statt einer hölzernen Wanne erwartete ihn eine in den Boden eingelassene Vertiefung, die mit einem glatten Anstrich versehen war. Emanuel öffnete eines der Rohre, und es floss warmes Wasser heraus. Zauberei oder höchste handwerkliche Kunst?
    »So lebten die alten Römer«, bemerkte Emanuel, der sich an Bernardos Staunen ergötzte. »Natürlich nur die Patrizier. Aber heutzutage lebt nicht einmal unser König in solchem Luxus.«
    »Und uns Mönchen ziemt er?«, fragte Bernardo vorsichtig, während er seine Hand unter den warmen Wasserstrahl hielt.
    »In unserer Bruderschaft werden die irdischen Freuden nicht verteufelt. Natürlich sollen viele davon profitieren, aber wir wurden weit in unseren Absichten zurückgeworfen.«
    »Du meinst, alle Menschen sollen so leben? Ist das die Idee Nathaniels?«
    Emanuel stand mit verschränkten Armen an der Wand und nickte. »So war es gedacht.«
    »Halleluja! Was für ein großer Mann. Wahrlich, ihn nennt man zu Recht einen Meister.« Bernardo berührte die weichen Tücher, roch an den aromatischen Seifen. »Verweichlicht das einen Mann nicht zu sehr?«
    »Für einen harten Mann wie dich will ich gern Seife aus Pferdeschweiß und Kuhdung zusammenrühren lassen.«
    Bernardo sah Emanuel an. Er sah einen Mann, der ebenso wenig wie er selbst noch einem Mönch glich. Als sehe er ihn zum ersten Mal, bemerkte er die fein geschnittenen Züge, olivbraune Haut und sinnliche Lippen, die schwerlich ein Vaterunser murmelten, dunkle Augen, die jetzt vor Schalk blitzten. Irgendetwas war plötzlich anders, als habe sich die Luft um sie herum verdichtet. Er atmete tief durch, bevor er auf Emanuels launige Bemerkung mit einem herzlichen Lachen antwortete. Auch Emanuel lachte, und ihr gemeinsames Lachen veränderte etwas zwischen ihnen. Was geschah hier? Es fühlte sich falsch an und doch richtig.
    Danach trat eine verlegene Stille ein. Beide Männer spürten, dass sich etwas im Raum aufhielt. Ein unsichtbarer Besucher, der sich, angezogen durch ihre Unbeschwertheit, zu ihnen gesellt hatte. Aber der Bursche war nicht zu fassen. Um abzulenken, bat Bernardo Emanuel, ihm die Sache mit den Rohren zu erklären. Emanuel ließ warmes und kaltes Wasser einlaufen. Dazu schüttete er ein blaues Pulver hinein, das es aufschäumen ließ und einen Duft nach Flieder verbreitete.
    Bernardo legte seinen Gürtel ab und begann, seinen Rock aufzuknüpfen. In dessen Innentasche befand sich, fest eingenäht, das

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