Schatten eines Gottes (German Edition)
Zakariya musste Nathaniel Lob für die Ausbildung dieses jungen Mannes zollen.
Sie saßen im Schatten einer großen Aleppokiefer, aber die Hitze war dennoch spürbar. Sinan trug eine ärmellose Weste, weite Baumwollhosen und Sandalen und trank kühlen Granatapfelsaft. Wie landesüblich, begannen sie ihr Gespräch mit unwichtigen Dingen, aber Sinan spürte, dass Zakariya auf etwas Bestimmtes hinaus wollte.
»Ich spüre eine Unrast in dir, Sinan. Du bist wie ein Adler, der seine Schwingen ausbreiten will, zum Nesthocker bist du nicht geeignet.«
Sinan nickte flüchtig. »Akkon ist eine schöne und betriebsame Stadt, aber nun laufe ich täglich durch dieselben Gassen und kenne jeden Marktschreier und Kamelverkäufer. Ich brauche Herausforderungen und keine Basarausflüge.«
»Der Aufenthalt hier dient deinem Schutz, aber ich denke, dir droht keine unmittelbare Gefahr mehr.«
Sinan zuckte die Achseln. »Der Meister war um mich besorgt, ich war es nie. Niemand würde in Stefano, dem Spielmann, den Franziskanermönch erkennen, der den Papst töten wollte. Aber ich war gespannt auf das Heilige Land, auf die Stätte meiner Geburt, deshalb habe ich dem Exil zugestimmt. Ich fürchte jedoch, der Meister will mich hier verrotten lassen.«
Zakariya schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber nein. Der Meister schickt mich. Ich habe eine Aufgabe für dich.«
Sinan blinzelte misstrauisch. »Wo? Hier oder in Rom?«
»Das musst du selbst herausfinden. Es geht um das Pergament. Du sollst es beschaffen. Wir nehmen an, dass dieser Franziskanermönch Bernardo es immer noch in seinem Besitz hat, aber wir kennen seinen Aufenthaltsort nicht.«
»Ist er nicht aus Rom geflohen?«
»Ja, seitdem ist er verschwunden. Aber dir dürfte es gelingen, ihn aufzuspüren.«
»Wenn er noch lebt, finde ich ihn.« Sinan starrte einige Sekunden vor sich hin. »Und was dann? Er schweigt wie ein Grab. Nicht einmal der Papst konnte ihm das Versteck entlocken.«
Zakariyas Hand wischte verächtlich durch die Luft. »Abergläubische Narren allesamt. Meinten, er sei Jesus persönlich. Du wirst da weniger Skrupel haben, wie mir der Meister erzählte.«
Sinan lächelte amüsiert. »Wie wahr, allerdings Bernardo …«
»Was ist mit ihm?«
»Er ist der Typ eines Märtyrers. Je mehr Schmerzen, desto heiliger, du verstehst schon.«
Zakariya zuckte die Achseln. »Ich vertraue da ganz auf deine einschlägige Erfahrung, Sinan. Das Pergament ist wichtig.«
»Es ist doch eine Fälschung.«
»Wieso? Hast du es selbst überprüft? Innozenz hat das behauptet, das hätte ich an seiner Stelle auch getan. Doch was spricht dafür? Die Aussage eines Juden. Ich kann fünfzig Schriftgelehrte aufbieten, die etwas anderes sagen, außerdem das glaubwürdige Zeugnis etlicher Tempelritter. Wem wird man dann glauben?«
Sinan schien durch Zakariya hindurchzusehen. »Und wenn ich das Pergament habe?«
»Dann bringst du es dem Meister.«
»Ich meine, was geschieht mit dem Mönch?«
»Fragst du das ernsthaft?«
»Ich habe ihn kennengelernt. Er ist ein guter Mensch.«
Zakariya stieß ein verächtliches Knurren aus. »Dich plagt doch nicht dein Gewissen, Sinan? Du bist ein Sicario, ein Fedajin.«
»Bin ich nicht«, stieß er gallig hervor. »Omar al Mamun wollte mich nicht.«
»Ach, der Alte! Hängt an seinen verstaubten Regeln. Die Tage von Masyaf sind gezählt, das kannst du mir glauben. Also, wie ist es? Lehnst du den Auftrag des Meisters ab?«
Sinan verschränkte die Arme und richtete seinen Blick hinauf in die Krone der mächtigen Kiefer. »Ich finde ihn, und ich töte ihn. Das kannst du ihm ausrichten, falls du ihn vor mir triffst. Und ich bringe das Pergament mit, falls es noch existiert. Für die Bewegung töte ich zehn Bernardos. Ja …« Er hielt inne und sah Zakariya an. »Aber ich tue es nicht gern. Diesmal nicht.«
Sinan begegnet Nicholas
Im dämmrigen Souk von Hama, wo über die Gasse gespannte Stoffplanen die allgegenwärtige Sonne aussperrten, saß Sinan an einem kleinen Tisch und trank Ziegenmilch, verfeinert mit Gurkensaft und Kräutern. Eigentlich hatte er az-Zahir, den Sohn Saladins und ein weiterer Freund des Meisters, aufsuchen wollen, denn es konnte nie schaden, so wichtige Leute zu kennen, aber az-Zahir befand sich nicht in der Stadt. Sinan war enttäuscht, denn wenn er das gewusst hätte, wäre er gleich von Akkon aus aufgebrochen. Nun lag noch der Weg bis Tripoli vor ihm. Lange Ritte durch heiße, öde Landstriche. Es eilte ihm nicht damit,
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