Schatten eines Gottes (German Edition)
»Schön hast du es hier. Du bist ein wohlhabender Mann?«
»Ich habe mein Auskommen«, murmelte Sinan, während er unschlüssig herumstand und noch zögerte, neben Nicholas Platz zu nehmen.
»Ich wusste nicht, dass die Spielleute so viel einnehmen.« Er trank einen Schluck. »Oh, das ist schön kühl, wie erfrischend.«
»Es wird mit Eis gekühlt«, sagte Sinan.
»Was für ein Luxus!« Nicholas lächelte. »Hast du etwas dagegen, wenn ich jetzt meine Kleider ablege?«
Sinan schluckte. »Deine Kleider?«
»Nun, soweit es schicklich ist.«
Hatte Nicholas ihm dabei zugezwinkert? Nein, unmöglich. Das musste er sich eingebildet haben. Sinan fuhr sich über den verschwitzten Nacken. »Tu, was immer dir beliebt.« Ihm war kaum bewusst, dass er immer noch vor Nicholas stand, die Karaffe in der Hand, während dieser aus seinem schlichten Kittel schlüpfte. Jetzt trug er tatsächlich nur noch ein winziges Stück Stoff um die Lenden.
Sinan wurde heiß. Weshalb tat Nicholas das? Er wusste doch, was er – Sinan – im Sinn hatte. Weshalb hatte er sich in seine Gewalt begeben? Weshalb wollte er ihn mit seiner Nacktheit quälen? Die Antwort auf diese Fragen lag offen vor ihm, aber er weigerte sich, sie zu erkennen. In seiner Ohnmacht ballte er die Fäuste. »Was hat das zu bedeuten? Was willst du?«
»Ich?«
Oh, dieses unverdorbene Lächeln!
»Ich dachte, du willst etwas von mir?«
»Ich – ich möchte dich – bei Allah! Du weißt, was ich will, was ich mir wünsche seit jenem Tag, aber du bist doch …«
»Was bin ich? Der Engel von Köln? Den Gott auserwählt hat? Der Unberührbare?«
Sinan war verwirrt. Wer war dieser Junge, der da auf dem Diwan saß? War das noch der Nicholas, den er gekannt hatte? Aber welchen Nicholas wollte er? Einen unbefleckten, aber unerreichbaren Knaben oder einen geschmeidigen, willigen Körper in seinen Armen?
»Worauf wartest du, Sinan? Setz dich doch zu mir.«
Für diese Aufforderung hätte Sinan den Teppich zu Nicholas Füßen küssen mögen, doch in ihr hatte keine Zärtlichkeit gelegen, kein Verlangen. So mochten Händler ein Geschäft abschließen. Die Ahnung einer entsetzlichen Enttäuschung hielt Sinan zurück. »Was weißt du von diesen Dingen?«
»Genug. Oder glaubst du, du bist der Erste?«
Dieses Geständnis riss Sinan aus seiner Lethargie. Mit einem Satz war er bei Nicholas, packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. »Warum bist du hier? Antworte!«
Nicholas erwiderte kühl seinen Blick. »Weil du uns gut bezahlt hast. Hast du Hassan nicht hundert Dirham gegeben?«
Sinan schlug ihm mit der flachen Hand so heftig ins Gesicht, dass seine Finger sich auf Nicholas’ Wange abzeichneten. »Hurensohn!«, schrie er.
Nicholas starrte Sinan an, seine Wange brannte. »Für hundert Dirham hast du noch ein paar Schläge frei«, erwiderte er teilnahmslos.
Sinan begriff, was er getan hatte. Verzweifelt riss er Nicholas an sich und vergrub sein Gesicht in dem weichen blonden Haar. »Tut mir leid, das wollte ich nicht. Vergib mir!«
Nicholas lachte leise. »Das bin ich gewöhnt. Vielen gefällt das. Mich zu schlagen. Deshalb kann ich mehr verlangen als andere, weißt du.«
»Still! Schweig! So etwas will ich nicht hören!« Nicholas’ warmer Körper machte Sinan halb wahnsinnig. Dieser Junge, den er im Stillen angebetet hatte, verkaufte sich für Geld. Er selbst hatte ihn bezahlt. Und er hatte geglaubt, dass Nicholas ihm Zuneigung entgegenbrachte wegen jenes Tages bei der Fischerschenke. Doch nun hielt er einen Stricher in den Armen, nicht den Engel von Köln. So etwas konnte er an jeder Straßenecke bekommen. Fiebrige Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er sollte ihn benutzen als das, was er war und ihm dann das Leben aus dem Leib würgen für seinen schändlichen Verrat. Dass er sich weggeworfen hatte, weil seine lächerliche Mission gescheitert war.
Nicholas schmiegte sich an ihn und begann, an seinem Gürtel zu nesteln. Sinan stieß ihn von sich. »Lass das! Hör auf damit!«
»Warum? Ich bin bezahlt worden und tue nur meine Arbeit.« Rasch fasste er ihm unter den Rock. »Dein Schwanz ist schon so hart wie ein Dolch und sicher ebenso scharf, also spiele hier nicht meinen beschützenden großen Bruder.«
Sinan gab ein ersticktes Gurgeln von sich. Jetzt schob Nicholas mit seiner freien Hand den letzten Fetzen Stoff von seinen Hüften und umschloss mit ihr sein Glied, das sich wie ein bernsteinfarbenes Zepter von den sonnengebräunten Schenkeln abhob.
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