Schatten eines Gottes (German Edition)
Körperteil. Dem einen ein Fuß, dem anderen eine Hand, dem Dritten die Augen.«
»Das sind in der Tat erschreckende Untaten«, stimmte Emanuel dem Wirt zu, »aber was lässt Euch glauben, hier sei ein Dämon am Werk?«
»Das – das Mordwerkzeug natürlich. Wer mordet mit einem Kreuz? Nur ein Gehilfe Satans.«
»Ein Mensch, der sich Satanas verschrieben hat, das will ich glauben. Aber Dämonen? Nein. Diese benötigen keine Mordwerkzeuge. Sie fahren einfach aus und ein durch die Schlüssellöcher oder andere Öffnungen, nicht wahr?«
Der Wirt bekreuzigte sich. »Möget Ihr recht behalten.«
Emanuel schlug ein Kreuz über dem Wirt. »Unser Schild ist das rechte Gottvertrauen. Fürchtet nichts für uns und seid bedankt für die Warnung.«
***
Am frühen Vormittag des nächsten Tages erreichten Emanuel und Octavien das westliche Stadttor der Bischofsstadt Mainz. Octavien hatte gehört, man könne standesgemäß in der Stiftskirche St. Peter vor den Mauern unterkommen, doch Emanuel wies ihn darauf hin, dass sie eigentlich in geheimer Mission unterwegs seien. Man würde dort nur Fragen stellen, was sie nach Mainz verschlagen habe – einen Zisterzienser und einen angehenden Tempelritter? Octavien hörte das mit dem Tempelritter nicht ungern, wenn er auch noch lange seine Freiheit genießen wollte. Er war es nach etlichen Einwänden zufrieden, in dem Gasthof ›Zur goldenen Traube‹ an der Stadtmauer unterzukommen.
Bevor sie zum Jakobsberg aufbrachen, wo Octavien hoffte, die kostbare Reliquie zu finden, bestand Emanuel darauf, wo er einmal in Mainz sei, wolle er auch die bedeutendsten Kirchen der Stadt, den Mainzer Dom und den Bischofssitz besuchen. Octavien fand das für einen Mönch durchaus angebracht, für sich selbst bevorzugte er einen gemächlichen Ritt durch die Stadt auf übersichtlichen Straßen und Plätzen, wo er vor unangenehmen Überraschungen wie in Köln sicher war. Dabei schaute er sich die Gebäude und Kirchen von außen an.
Als er auf einen größeren Platz kam, erklang in der Nähe Musik. Jemand schlug die Laute und sang dazu. Octavien hatte nichts übrig für Straßensänger, alles Herumtreiber und Diebsgesindel. Aber dieser Mann spielte meisterhaft und hatte eine so volltönende Stimme, dass sein Vortrag in jeder Ritterburg willkommen gewesen wäre.
Octavien ritt näher. Auf dem Rand eines Brunnens saß ein Mann mit langem schwarzem Haar, auf dem keck eine rote Kappe mit darauf schaukelnder Feder saß, dazu trug er einen bunten Rock, der ihm auf den Leib geschneidert schien und ihm ausgezeichnet stand. In seiner Schale hatte sich bereits eine stattliche Anzahl Münzen versammelt.
Octavien klaubte aus seinem Beutel einen Silberpfennig und warf ihn dem Spielmann im Vorüberreiten zu. Dieser erhob sich, verbeugte sich, seine Kappe schwenkend und bedankte sich artig. Octavien nickte herablassend.
»Du! Spielmann! Wie heißt du? Woher kommst du?«
»Zu Diensten edler Herr. Stefano de Fiore von der schönen Insel Sizilien.«
»Dann bist du weit gereist.«
»Das Los eines fahrenden Sängers.«
Der Mann stellte seine Laute an der Brunneneinfassung ab. »Warum fragt Ihr?«
»Ihr spielt und singt ausgezeichnet. Ihr könntet auf Burgen und Schlössern eure Kunst vortragen. Außerdem ist Euer Äußeres sehr annehmbar. Ihr würdet jedes Burgfräulein für Euch einnehmen. Warum seid Ihr ein Straßenmusikant?«
»Auf Sizilien«, zwinkerte der Spielmann und ignorierte die Frage, »sehen alle Männer gut aus. Hier im Frankenland – vergebt mir – ist es nicht immer so, obwohl Ihr eine rühmliche Ausnahme seid. Und natürlich passt Euer Aussehen zu Eurer Garderobe.«
In der Tat. Octaviens Rock war aus leuchtend rotem Atlasgewebe. Er wies auf der Brust einen mit Goldfäden gestickten Adler auf, während auf dem Rücken ein schwarz-weißes Tuch aufgenäht war, das Banner der Templer.
»Du bist beachtlich von dir eingenommen.«
»Was man auch den Templern nachsagt. Ihr seid doch einer? Ich erkannte es an dem schwarz-weißen Emblem auf Eurem Rücken.«
Octavien war beeindruckt. Der Mann musste über eine gewisse Bildung verfügen. »Es ist richtig, die Tempelritter dienen unter diesem Zeichen. Weiß bedeutet Reinheit und Keuschheit, schwarz Kraft und Mut.«
»Ich hingegen hörte etwas anderes. Schwarz und weiß, das steht für hell und dunkel, für gut und böse, für Gott und Teufel. Die ewigen Widersacher.«
Octavien stieg das Blut zu Kopf. »Wer sagt so etwas? Das ist nicht wahr. Das ist
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