Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
Vom Netzwerk:
landeten, der des Spielmanns Vortrag, gelehnt an die Dorflinde, gelauscht hatte. Sein faltiges Gesicht verzog sich zu einem dankbaren Grinsen.
    Der Spielmann verließ den Ort, an dem er nicht willkommen war, und zog scheinbar ziellos auf der Landstraße weiter nach Süden, bis er in der Ferne die Türme von Mainz ausmachen konnte.
    ***
    Emanuel und Octavien waren früh aufgebrochen. Sie hatten gehofft, um die Mittagsstunde Mainz zu erreichen. Ein heftiger, anhaltender Regen hatte ihre Reise jedoch verzögert, sodass sie gegen Abend noch zwei Wegstunden von Mainz entfernt waren. Reisende hatten ihnen das Gasthaus ›Zum Hirschen‹ in Bodenheim empfohlen. Es kostete Emanuel einige Überredungskunst, Octavien diese Herberge schmackhaft zu machen, denn Octavien hatte zur Bedingung gemacht, nur in bedeutenden Klöstern zu übernachten, die über komfortable Gästehäuser verfügten, wo auch der Adel ohne Bedenken absteigen konnte. Doch die standen nicht immer zur Verfügung.
    Zum Glück entsprach das weitläufige Gasthaus mit den hohen Giebeln und den sauberen Ställen nahezu den gehobenen Ansprüchen Octaviens. Die Gaststube war mäßig besetzt, alles ganz offensichtlich Reisende von Stand oder doch wenigstens gut situierte Kaufleute.
    Octavien nahm den als Herrengericht angepriesenen Rehrücken in süßsaurer Soße mit Mandeln und Ingwer, dazu Semmelknödel und einen Roten aus der Umgebung. Emanuel begnügte sich mit Rindfleischtaschen und trank dazu ein Bier.
    Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, kam der Wirt an ihren Tisch. Er entschuldigte sich mit doppelter Verbeugung für die Störung. »Ich halte es für meine Pflicht, alle Gäste zu warnen, die hier auf der Durchreise sind.«
    Octavien tupfte sich die Mundwinkel mit einem weichen Tuch ab. Eine Unmutsfalte bildete sich auf seiner Stirn. »Zu warnen? Wovor?«, knurrte er, ohne den Wirt eines Blickes zu würdigen. Als angehender Ritter erschien es ihm lächerlich, sich von einem Wirt eine Warnung anhören zu müssen.
    Der Wirt räusperte sich. Auch ihm schien die ganze Sache unangenehm zu sein. »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. In letzter Zeit sind in unserer Gegend Dinge passiert, schreckliche Dinge …«
    »Was für schreckliche Dinge?«
    »Überfälle – ganz unerklärliche …«
    »Überfälle? Wollt Ihr sagen, es treiben sich da draußen ein paar Spitzbuben herum? Seht Ihr nicht, dass ich ein gutes Schwert trage? Außerdem reise ich in Begleitung eines wehrhaften Mönches, der ebenfalls seine Waffe zu gebrauchen weiß.«
    »Spitzbuben? Oh, gebe Gott, es wären welche! Was auch immer da draußen ist, hat es auf Geistliche abgesehen.« Der Wirt warf Emanuel einen bedeutsamen Blick zu.
    »Ihr sprecht in Rätseln, Wirt«, mischte sich Emanuel ein. »Nicht ein ›Wer‹ begeht Überfälle, sondern ein ›Was‹? Werdet deutlicher. Womit haben wir es zu tun? Mit einem Tier? Vielleicht mit einem Bären?«
    »Ein Bär versteift sich nicht auf Geistliche«, spottete Octavien. »Es sei denn, er mag ihre Kutten nicht riechen.«
    »Kein Bär«, flüsterte der Wirt. »Es war ein Dämon.« Verstohlen sah er sich um, als stünde bereits einer hinter ihm.
    Emanuel rollte verächtlich mit den Augen, und Octavien entfuhr ein höhnisches Schnauben. »Manche glauben auch, wenn eine Mucke sie sticht, der Teufel habe Nadeln regnen lassen. Geht und erzählt Eure Märchen anderen.«
    Der Wirt hob beide Hände. »Ich bin kein abergläubischer Mensch. Ich höre nicht auf Altweibergeschwätz, das müsst Ihr mir glauben. Aber die Art und Weise, wie sie umgekommen sind – die herbeigerufenen Priester haben selbst von einem Dämon gesprochen.«
    »Guter Mann«, fuhr Octavien sichtlich beherrscht fort, »selbst Geistliche sollen manchmal dem Aberglauben verfallen«, wobei er Emanuel einen vielsagenden Blick zuwarf.
    »Wer ist denn getötet worden und wie?«, bemühte sich Emanuel, sachlich zu bleiben. »Weshalb glaubt man, es sei ein Dämon gewesen und kein menschliches Wesen?«
    »Nun«, der Wirt versuchte sich zu sammeln, während er sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn wischte. »Ich weiß von drei Opfern, sie stammten aus den umliegenden Kirchen und Klöstern und bekleideten alle ein höheres geistliches Amt. Mit einem angespitzten Holzkreuz waren alle drei durch die Kehle auf den Boden genagelt worden. Und auf den Kreuzen war jeweils ein anderer Name eingeritzt. Aber niemand hier wusste, was diese Namen bedeuteten. Außerdem fehlte jedem ein anderes

Weitere Kostenlose Bücher