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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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bleiben, der die Einheit ist.«
    Und dann holte mich Rachman, ich setzte mich aufs Pferd, das er für mich aufgetrieben hatte, und wir ritten nach Samarkand.
    Im Hause des Kasis wurde ich aufgenommen wie ein lange erwarteter Gast. Ein Bad wurde mir bereitet, man brachte mir Rosenwasser für das Haar und den Bart, brachte mir gute Kleider, die ich nicht ausschlug: Nicht der Mantel macht den Derwisch, das hatte ich nun ja gesehen. Zu Tisch stellten sich Freunde ein, man aß und trank, Wein wurde hier nicht kredenzt, aber ein Sirup, der aus Weintrauben gekocht und mit dem guten Samarkander Wasser verdünnt war und mich in seinem Geschmack an den Gulef Julapium erinnerte, den mir vor Jahren Giulietta in Padua kredenzt hatte. Und zum ersten Mal gab mir die Erinnerung an diese Zeit keinen Stich ins Herz, sondern erwärmte es wie der Schein der untergehenden Sonne nach einem heißen Sommertag.
    Die Gespräche im Hause des Kasis drehten sich um alles, was einen Mann in diesem Lande bewegt: um Fragen des Glaubens so gut wie um solche der Politik. Auch Gedichte wurden vorgetragen, und zwar in den beiden Sprachen, derer sich die Literaten hier bedienen, Persisch und Arabisch. Und plötzlich entbrannte ein Meinungsstreit darüber, ob sich auch das Türkische, diese Sprache der Nomaden, Bauern und Handwerker, wohl zurechtschleifen ließe zu Versen, die kunstvoller und inhaltsreicher wären als die gewöhnlichen Volkslieder.
    Da stand einer der Gäste auf – Lufti, glaub ich, hieß er und trug eigene Verse vor: im tschagataischen Türkisch. Alle zollten ihm Beifall, aber man merkte deutlich, wie sich die Geister schieden. Um den Mund der Araber und Perser spielte ein etwas herablassendes Lächeln, während die Tschagataier aufsprangen und ihn umarmten. Rachman wusste, wie ein gesitteter Sohn sich im Hause seines Vaters zu betragen hat: Er setzte sich nicht zu Tisch, ehe der Kasi ihm einen Wink gab, es zu tun, er mischte sich nicht ins Gespräch, wenn er nicht dazu aufgefordert wurde, aber dann merkte man, dass seine Ohren kein Wort verloren hatten und seine Gedanken sehr wohl auch eigene Wege zu gehen vermochten.
    So einen Sohn, dachte ich, könnte ich heute haben, wenn ich damals nicht hätte außer Landes gehn müssen und mein Vater mich nach hiesiger Sitte verheiratet hätte. Und etwas wie Bedauern, dass man mich hier nicht ganz hatte heimisch werden lassen, ja etwas wie eine nachträgliche Aufsässigkeit gegen meine Mutter erfasste mich, und es wurde mir schwer, mir meine Ungerechtigkeit vor Augen zu halten und sie der Toten abzubitten.
    Auch als Arzt betätigte ich mich bald. Der Kasi klagte über ein Hautjucken am Schenkel, und ich stellte fest, dass es eine Rischte war, einer jener Fadenwürmer, die in Buchara heimisch sind. Er musste sie sich wohl von einer Reise dorthin mitgebracht haben. Nun, ein scharfes Messer war bald zur Hand, ich reinigte es sorgfältig und machte einen Schnitt, bei dem der Kopf des Wurmes zutage trat. Dann galt es, das Tier, das eine Länge von einer Elle haben konnte, sehr behutsam herauszuziehen, damit es ja nicht abrisse, denn das hätte eine böse Entzündung und eine Vermehrung dieser Parasiten zur Folge haben können. Doch es gelang mir, den bindfadendicken Wurm Zoll um Zoll bedächtig um eine Spule zu wickeln, was allerdings eine sehr langwierige Prozedur war.
    Als der Kasi von diesem lästigen Übel befreit war, bezeigte er mir seine Dankbarkeit: Er stellte mich einem Araber vor, Ismail Ben Kais, dem Nachfolger von Mulana Nafiz, der sich eingehend mit mir über ärztliche Fragen unterhielt. Ich verstand, dass das eine noble Art von Prüfung sein sollte, doch muss ich sie wohl bestanden haben, denn Ismail bot mir die Benützung seiner Bibliothek an, und als ich ihn nach Werken von Galenus und Hippokrates fragte, um herauszufinden, ob es welche gäbe, die ich in Padua noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, da staunte er, denn er merkte, dass ich mehr dieser Bücher kannte als er selbst. »Wo hast du diese Schriften gefunden? Wo dir dein Wissen angeeignet?«
    Nun war der Augenblick gekommen, wo ich die Legende meines Lebens erzählen musste. Ich war darauf gefasst. Die Legende meines Lebens: Da ich mich Kowa'iri nenne, muss ich aus Kowa'ir stammen. Dieses darf keine Stadt sein, die man irgendwo hätte suchen können, sondern ein möglichst kleiner unbedeutender Ort in einer völlig abgelegenen Gegend. Also ein Herrengut irgendwo in den anatolischen Bergen. Mein Vater früh in einem Gefecht

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