Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
sie wäre für Christus in den Tod gegangen.«
»Nun dann«, bohrte die Tante weiter, »wie habt ihr in dem heidnischen Land, in das ihr verschlagen wurdet, einen Priester gefunden, der euch traute?«
»Tante«, erwiderte mein Vater, schon etwas unsicherer, »wir waren nicht in einem heidnischen Land, die Moslems sind keine Heiden, sie glauben an Gott wie wir. Und unser Zusammenleben war gültig vor dem Gesetz und war eine christliche Ehe vor Gott, denn ich liebte meine Nino über alles und habe ihr nie eine andere Frau an die Seite gestellt.«
Sie liebten sich mehr, als Ildikó und er sich lieben! wollte ich wieder dazwischenrufen, sie waren vom Schicksal füreinander bestimmt und auf so wundersame Weise zusammengeführt worden, wie ihr euch das gar nicht vorstellen könnt! Aber Ildikó saß daneben und machte bei dem Gerede ihrer Großmutter ein so gequältes Gesicht, dass ich mich ihrer erbarmte und schwieg.
Und: »Das mag ja alles gut und schön sein« (die Tante sah nicht Ildis verstörte Augen oder wollte sie nicht sehen), »aber wenn euch kein Priester zusammengegeben hat, ist eure Ehe hier nicht gültig. Also sag, kannst du schwören, István …«
Da sprang er auf. Was er tun, was er sagen, ob er schwören wollte, weiß ich nicht, ich ließ es gar nicht dazu kommen.
»Nein«, rief ich, »es gab keinen Priester, der sie hätte trauen können, und als sie sich aufmachten, um in einem christlichen Land nachzuholen, was in Samarkand nicht möglich gewesen war, ist meine Mutter gestorben, ehe das geschah.«
»So«, mein Vater winkte der Magd, die gerade eine Schüssel voll Weintrauben hereinbrachte und auf den Tisch stellen wollte, so deutlich ab, dass sie sich erschrocken umkehrte und die Trauben wieder mitnahm. »Jetzt hast du gehört, was du hören wolltest. Ich habe dir nichts weiter zu sagen.« Und er verließ das Zimmer. Ich folgte ihm auf dem Fuß.
»Ach Kind«, sagte mein Vater, als wir allein waren, »warum hast du nicht geschwiegen, warum verraten, was hier niemand zu wissen braucht?«
»Ich wollte nicht, dass du einen Meineid schwörst, liebster Vater …«
»Auch nicht, wenn es um deinetwegen nötig gewesen wäre?
Du weißt es ja nicht, was es für dich bedeutet, wenn meine Ehe mit deiner Mutter nicht gültig ist. Nicht mehr und nicht weniger, als dass du nicht mein ehelicher Sohn bist und dieses Gut niemals erben kannst.«
»Nun, Vater, dann wirst du einen ehelichen Sohn haben, wenn Gott euch einen schenkt. Ich lasse ihm das Gut gerne. Es liegt mir nichts daran.«
Der Vater fasste mich an der Schulter, als wollte er mich rütteln, ließ aber dann die Arme sinken und sah mich wie entgeistert an.
»Du weißt nicht, was du sprichst, Gyurka. Was soll denn aus dir werden?«
»Ich werde fortgehn. Haben die Christen keine Schulen, auf denen man lernen kann, was einem hierzulande nützlich ist?«
»Schulen schon. Domschulen in jeder Bischofsstadt. Hohe Schulen in Buda, in Wien, in Prag, in Italien. Aber du weißt nicht, was auf dich wartet. Ahnst nicht, was es im Abendland bedeutet, nicht ehelich geboren … ein Bastard zu sein!«
»Aber, Vater, wer weiß denn das?«
»Wer es weiß? Nun, nachdem du selber es hinausgeschrien hast? Es gibt keinen schnelleren Renner als eine böse Kunde. Wenn sie dir nicht vorauseilt, wird sie dich einholen, wo immer du bist.«
Pater Laurentius war gekränkt, als ich mich von ihm verabschiedete. »Auf die Domschule willst du? Dich unter die Zuchtrute eines Scholasters bücken? Du, der du hier ein Herr bist – aufstehen kannst, wann du willst, zu Bett gehn, wann du willst, dich auf Pferderücken tummeln oder Latein lernen, ganz wie du willst. Oder ist dir mein Latein zu schlecht?«
Ich mochte es ihm nicht sagen, aber ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass er es nur mangelhaft beherrschte, und fand das dann auch bald bestätigt.
Der Vater drang in mich, wenigstens bis Weihnachten noch zu Hause zu bleiben. »Hast doch noch nie in einem christlichen Haus die Geburt des Herrn gefeiert«, sagte er, »brennt dir denn der Boden unter den Füßen?«
Ich antwortete nicht. Wie sollte ich ihm begreiflich machen, was mich aus seinem Hause trieb?
Nur Ildikó verstand mich.
»Es ist besser, dass du gehst, Gyurka, meine Seele. Ich möchte deinem Vater eine gute Frau sein. Und – ich wäre dir eine schlechte Mutter. Nur um eines bitte ich dich: Wenn du einen Bruder bekommst, sollst du ihn lieb haben. Versprichst du mir das?«
Ich nickte mit dem Kopf. Reden konnte
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