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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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»Universitas magistrorum et studentium« verbürgten. Sie waren von Kaisern und Päpsten immer wieder bestätigt worden, bereits Friedrich der Rotbart hatte auf dem Ronkalischen Reichstag vor nunmehr rund dreihundert Jahren der Hohen Schule in Bologna zugestanden, dass die aus Liebe zur Wissenschaft heimatlos Gewordenen bei Rechtshändeln selber bestimmen dürften, ob ihr eigener Magister oder der Bischof über sie zu Gericht sitzen solle. So dauerte es nicht lange, bis die Bologneser Studentenschaft sich zur »Universitas« zusammenschloss, Rektoren aus ihrer Mitte berief und die Lehrer selber wählte und besoldete, dauerte nicht lange, bis diese Korporation eine Autonomie erhielt, die bis zur eigenen Jurisdiktion ging. Freiheiten, die sie an ihre Tochterschule in Padua weitergeben konnte.
    Diese Freiheiten zogen nun die Lernbeflissenen aus aller Herren Ländern herbei. Da kamen sie, die Junker aus Brandenburg, die Handwerkersöhne aus Nürnberg, die Söhne von Kaufleuten aus Krakau und Hermannstadt, die Edelleute aus Burgund, die Kleriker von den britischen Inseln; kein Land Europas war zu abgelegen, kein Stand zu hoch oder zu niedrig, als dass sie nicht zu meiner Zeit in Padua vertreten gewesen wären. Man fragte nicht nach Alter, Rang und Vermögen, man fragte nicht nach dem Wissen, das sich einer erworben hatte, auch nicht, ob einer lernwillig war oder nur das Geld seines Vaters in lustiger Gesellschaft verjubeln wollte (ich kenne manchen, der das tat und, ohne sich einen akademischen Grad erworben zu haben, wieder zurückfuhr), – man fragte lediglich danach, ob sich einer in die große Gemeinschaft einordnen, sich nach ihren Regeln, und Gesetzen richten wollte.
    Mir freilich fehlte es am Lernwillen nicht!
    Ich lernte leicht. Das Latein floss mir schnell von den Lippen. Seine Grammatik ist ja klar aufgebaut und nicht schwer zu überschauen, und seine Vokabeln flogen mir zu, um so schneller, als es hier nicht nur die Unterrichtssprache war, sondern notgedrungen auch die Umgangssprache. Wie anders hätte man sich sonst in dem Gewirr der tausend Zungen verständigen sollen? Ja, diese totgesagte Sprache erhielt ein sprudelndes Leben. In ihr unterhielten sich der Ungar mit dem Briten, der Franzose mit dem Schweden – oh, wie wir disputierten, philosophierten, uns heiß redeten, uns die Argumente an den Kopf warfen, mit Gegenargumenten parierten! Kein Gebiet lag zu weit ab, als dass wir es nicht ins Blickfeld unserer Betrachtungen gezogen hätten, keine Frage war zu schwierig, als dass wir ihr nicht mit dem Skalpell unserer Logik zu Leibe gerückt wären. Und oft standen wir mit rauchenden Köpfen vor dem Entweder-oder, das häufig genug auch ein Weder-Noch war. Wir hatten zwar viele Kluge unter uns, doch auch ein Weiser kann irren, wie auch ein edles Pferd manchmal stolpert – aber es waren auch Leute jenes Schlages dabei, die alles und nichts wissen und niemals schweigen, weil sie nichts zu sagen haben.
    Händel? Wie sollte es unter einem so lebhaften Volk nicht auch Händel gegeben haben? Anregung ist nicht fern von Aufregung, und, wie der Türke sagt, »wer die Wahrheit spricht, muss im Steigbügel stehen«. Manchmal gerieten sich Cismontaner und Transmontaner in die Haare, doch meist waren Besonnene zur Hand, die diese Händel schlichteten. Besonders tat sich darin Hans Trautenberger hervor – er gehörte zu den Schweigsamen, deren Wort viel gilt. Ich weiß noch, als ob es gestern gewesen wäre, wie eines Tages eine Schar von etwa zwanzig Studenten zu den Thermen von Abano unterwegs war und wir mitten unter ihnen. Es war Vorfrühling, die Weiden hatten eben ihre ersten Kätzchen herausgesteckt, der Wind blies von den Bergen, aber die Sonne meinte es gut mit uns, und wir stimmten unsere Vagantenlieder an. Da blieben die Stimmen uns plötzlich in der Kehle stecken, denn ein französischer Chevalier geriet mit einem Webersohn aus Verona in Streit. Der Veronesertrug zwar einen geflickten Mantel, aber es war bekannt, dass seine Zunge schärfer war als ein Mailänder Degen. Der Chevalier hatte sich tags zuvor einen Biberhut für viereinhalb Florentiner gekauft und fragte eitel, wie er ihm stehe. Der Veronese antwortete: »Großartig. Wenn er aus Schaffell wäre, würde man meinen, er wäre dir aus dem Kopf gewachsen!«
    Der Franzose verstand keinen Spaß und zog schon vom Leder. Der Veronese trug keine Waffen – nur den Edelleuten war dieses ja gestattet – er sprang also zur Seite und hätte vielleicht etwas

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